Haunted (German Edition)
Rentensysteme und Sozialversicherungen abschaffen, damit alle ihre Rente an der Börse verspielen – was genau das ist, was uns das Chaos überhaupt erst eingebrockt hat.«
Ricks Gesicht wurde rot vor Wut. Da Claire Ärger roch, schickte sie Julian hinüber, um die Situation zu entschärfen. »Dein Freund«, meinte sie. »Du kümmerst dich um ihn.«
Mit mehr als nur Bewunderung beobachtete sie ihn, als er genau dies tat, er ging zwischen die beiden Männer und lenkte geschickt das Thema auf ein Mashup-YouTube-Video, das er vor Kurzem gesehen hatte, in den Hauptrollen John Wayne, ein Supermodel und eine Kondomwerbung. Sekunden später lachten alle drei.
Aber die Stimmung der Party schien sich gewandelt zu haben, und Claire war sich nicht sicher, warum. Sie wandte sich dem Wohnzimmer zu. Der entspannte, freundliche Ton, der das Treffen bis jetzt dominiert hatte, war verschwunden und durch eine bissigere und konkurrenzfähigere Atmosphäre ersetzt worden. Sogar die Hintergrundmusik wirkte düsterer, obwohl sie wusste, dass Julian die CDs nicht gewechselt hatte.
Als Felicia, die Kassiererin, ihr Weinglas zum x-ten Mal auffüllte, fragte sie nach dem Obergeschoss – oberflächlich, dachte Claire –, und Claire setzte ein Lächeln auf und nahm sie mit nach oben, um ihr die Schlafzimmer der Kinder und Julians Arbeitszimmer zu zeigen. Ein älterer Mann, den sie nicht kannte, stand in James’ Zimmer und starrte in einer Weise, die ihr ein unangenehmes Gefühl vermittelte, direkt auf das Bett des Jungen. Sie wollte ihn aus dem Zimmer ihres Sohnes und aus ihrem Haus beordern, aber sie zwang sich, höflich zu sein und den Kerl mangels Beweisen freizusprechen, und fragte spitz: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Nein«, sagte er mit einer Stimme, die andeutete, dass er sich durch ihre Anwesenheit angegriffen fühlte. Er drehte sich um und lief ohne ein weiteres Wort an ihr und Felicia vorbei, aus dem Zimmer, den Flur entlang und die Treppe hinunter.
»Was zum Teufel …«, meinte Claire.
Felicia zuckte unverbindlich mit den Schultern, und Claire deutete schnell auf die Zimmer und identifizierte jedes einzelne, bevor sie die Frau wieder nach unten führte.
Erfolglos suchte sie im Flur, im Esszimmer und im Wohnzimmer nach dem Mann. Die Haustür stand weit offen, und sie spitzte hinaus, bevor sie sie schloss, und sah die Rückseite der Jacke des Mannes, als er den Gehsteig hinunterlief. Wer war er?, fragte sie sich. War er einer der Nachbarn? War er zur Party eingeladen worden oder war er einfach ungeladen aufgetaucht? Sie dachte daran, hinter ihm herzulaufen und ihn zu konfrontieren, aber er war bereits verschwunden und es war Nacht, und die Vorstellung, in der Dunkelheit auf ihn zu treffen, jagte ihr Angst ein.
Sie machte die Tür zu und schloss sie ab, damit niemand von draußen hereinkommen konnte.
Claire suchte Julian, aber er war nirgends zu finden. Genau genommen, hatte sich der Großteil der Party nach draußen bewegt, in den Garten, und sie ging durch die Küche und durch die offene Tür auf die Terrasse, in der Hoffnung, ihn irgendwo in der Menge zu finden. Ziemlich viele Leute waren da draußen, aber die meisten standen schweigend herum oder sprachen planlos mit leisen, entnervten Stimmen. Ein Mann, den sie nicht erkannte, saß am Boden auf dem Erdhügel, wo James sein Loch zugeschüttet hatte, den Kopf zwischen den Beinen, als würde er sich gleich übergeben. In der Garage dagegen waren die Lichter an und durch die dreckigen Fenster sah sie ein Paar, das energisch tanzte, obwohl die Musik aus dem Haus hier draußen nicht zu hören war. Aus der kleinen Gasse hörte sie, wie jemand ihre Mülltonnen durchwühlte.
»Julian!«, rief sie, aber es kam keine Antwort. Keiner der Leute im Garten machte sich auch nur die Mühe, sie anzuschauen.
Wo war er?
Claire wollte gerade zur Garage hinüberlaufen, nur für den Fall, dass er da drinnen bei den Tänzern war, als ihr jemand auf die Schulter tippte, und sie sich umdrehte.
Es war Janet.
»Weißt du, was da drinnen vor sich geht?« Janet deutete auf die Küche.
Claire war verwirrt. »Wovon redest du?«
»Komm mit«, sagte ihre Freundin und packte ihre Hand. Janet führte sie ins Haus zurück in die Küche und blieb vor der offenen Tür stehen, die in den Keller führte. Von unten ertönte eine Reihe kräftiger männlicher Grunzlaute, begleitet von den schrillen Schreien einer Frau.
»Ich weiß nicht, wer sie sind, aber es geht schon eine Weile«, flüsterte Janet.
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