Hauptsache, es knallt!
Markus’ Junggesellenabschiedsabend sind ein einziges Weltuntergangsszenario. Wenn wir auch nur die Hälfte von dem trinken, was er sich ausmalt, wird der eine Erholungstag, den Janina und Markus zwischen den Junggesellenabschied und die Hochzeitsfeier geschoben haben, niemals ausreichen. Wir können schon froh sein, wenn wir überhaupt mit dem Leben davonkommen. Und vor allem für Markus gibt es kein Pardon. Er hat vor einem Jahr die Übernahme der russischen Firma Koshniki Vacutech in St. Petersburg eingeleitet. An der gelungenen Integration des Unternehmens hängt seine ganze Karriere. Es ist also völlig unmöglich, Vladimir und Kollegen von seinem Junggesellenabschied auszuschließen.
Und weil keinem von uns spontan einfällt, wie wir Vladimir glaubhaft vermitteln können, dass Junggesellenabschiede in Salzminden traditionell mit Kräutertee und einem Spaziergang durch die heimischen Auen begangen werden, fragen wir ihn, um Zeit zu gewinnen, was ihm denn sonst noch solche Vorfreude bereitet. Wieder blitzen seine Augen, und ich kann die Anspannung in Markus’ Körper fast spüren.
»Iich muss ejch sagen, Deutschland hat beste Hoochzeitsbräujche von der chanze Welt! Habe challe nachgelese in ejne Buch.«
Wieder klatscht er in die Hände. Dazu guckt er geheimnisvoll, und der Schalk in seinen Augen macht dazu Luftsprünge.
»Tja, Mensch, Vladimir, das freut uns. Nur, hm …«
»Also … könntest du uns vielleicht verraten, was genau du vorhast?«
»Vielleicht können wir euch ja … helfen?«
Er schaut etwas irritiert in die Runde und schüttelt energisch seine Riesenbirne. Aber wir geben nicht auf. Henriette legt ihren Kopf schief und holt ihr Überzeugungslächeln mit der höchsten Durchschlagskraft heraus. Dem kann niemand widerstehen. Vladimir fährt seine gesamte Willenskraft auf, aber am Ende hat er keine Chance. Er holt Luft.
»Gut, iech sage ejch. Aber nur …«
Sein Grinsen wird so breit, dass selbst die Grinsekatze aus »Alice im Wunderland« sich in Ehrfurcht vor ihm verneigen würde.
»Nur, wenn Machrkus verlässt diese Raum, harharhar!«
Aufs Ohr
Wirklich ein Glück, dass Markus den Raum verlassen hat. Seine Nerven wären im Moment zu schwach, um die Vladimir-Pläne zu verkraften. Wir vier mussten alle auch erst einmal kräftig schlucken. Aber gut, dass der Kerl überhaupt damit rausgerückt ist. Noch haben wir alle Zeit der Welt, um Maßnahmen zu ergreifen. Nur welche?
Henriette findet als Erste die Sprache wieder.
»Also, ich fasse noch mal zusammen, Vladimir: Ihr plant eine Brautentführung?«
»Riechtig. Supr alte Brauch.«
»Und ihr wollt das wirklich durchziehen? Janina nach der kirchlichen Trauung kidnappen und mit ihr durch die Kneipen der Stadt ziehen, bis Markus euch findet?«
»Und Machrkus zahlt Zeche. Wierd lustieg.«
»Hm, und … wenn er euch nicht findet?«
»Oh, wier mache niecht so chwer. Wier chinterlasse Chinweise und in spätestens driette Chneipe bleiben wier und warten. Und Janina muss niecht viell trienken. Sagen wir fienf Vodka. Gut?«
Vladimir reibt sich seine riesigen Pranken. Er ist wild entschlossen. Mist. Natürlich gibt es normalerweise kaum etwas gegen eine kleine Brautentführung einzuwenden, aber wenn Russen und Alkohol dabei im Spiel sind, und Janina mit ihrem Schönster-Tag-des-Lebens-Spleen … Nein, besser nicht. Aber was machen wir mit Vladimir? Einem Russen einen Plan ausreden, der mit Trinken zu tun hat, das ist ungefähr so schwer, wie einen freistehenden Mittelstürmer zu überzeugen, nicht aufs Tor zu schießen.
»Weißt du, Vladimir, es gibt ja auch noch andere tolle Bräuche. Ihr könntet euch doch auch einfach vor die Kirche stellen und, äh, Reis werfen.«
»Chreis werfen?«
Nein, so kommen wir auf keinen grünen Zweig.
»Vladimir, worauf Henriette hinauswill, ist Folgendes: In Salzminden sind Brautentführungen abgeschafft worden.«
Die anderen machen große Augen, aber Vladimir schaut zum Glück nur zu mir. Er hat mit dem Händereiben aufgehört.
»Wieso abgeschafft?«
»Oh, ganz einfach. Vor ein paar Jahren ist etwas Fürchterliches passiert. Eine Braut wurde entführt und, tja … Also wirklich eine schlimme Geschichte.«
»Was?«
»Man redet hier nicht gerne darüber. Es war einfach … sehr, sehr schlimm, nicht wahr, Henriette?«
»Oh ja, entsetzlich. Wirklich ganz, ganz tragisch.«
»Drei Tage Trauerbeflaggung in der Stadt.«
»Ich möchte gar nicht mehr daran erinnert werden.«
»Jedenfalls, seitdem
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