Hauptsache, es knallt!
fabrizieren all diese lustigen Unfälle mit Absicht, um mich bloßzustellen. Jede Wette, sollte der Dalai Lama einmal nach Salzminden kommen, wird er direkt vor meiner Nase über seine Buddhisten-Toga stolpern und umfallen, so richtig schön in Zeitlupe und mit wild rudernden Armen. Und während die anderen ihm höflich schweigend wieder aufhelfen, werde ich mich, unter Missachtung sämtlicher Lärmschutzgesetze, ins Nirvana lachen.
Markus und die anderen gucken schicksalsergeben an die Decke. Sie kennen mich und wissen, dass ich mich wieder einkriege. Gleich hab ichs … Nur, wenn ich daran denke, dass Markus Mitscherlich, Führungskraft bei CGK Vakuum-Technik, Angst vor einem Feuerw… Stopp, stopp. Ich muss an was anderes denken. An traurige, entsetzliche Dinge. Das ist die einzige Rettung. Ich schaffe das, ich schaffe das …
Fünf in Gedanken überfahrene Kaninchen plus einen fiktiven Kaffee mit Silvio Berlusconi später kann ich wieder normal atmen. Ich schaue vorsichtshalber auf den Boden. Zu groß die Gefahr, dass es wieder von vorne losgeht, wenn ich Markus’ Gesicht sehe. Aber das hilft am Ende auch nichts. Seine Worte reichen schon.
»Es war halt so, ich bin als Kind von einer schief abgeschossenen Silvesterrakete am Ohr getroffen worden, und seitdem …«
»BRUHAHA! … Tschuldigung.«
Markus redet weiter und versucht, mich nicht zu beachten.
»Und es stimmt zwar, Janina und ich haben uns wirklich zum ersten Mal bei einem Feuerwerk geküsst. Aber das war eigentlich ein Missverständnis. Sie dachte nämlich, ich würde zittern, weil ich so ergriffen bin. Und das fand sie so rührend, dass … Oh, und sie denkt es übrigens heute immer noch.«
Bloß schnell raus in den Garten. Ich halte es nicht mehr aus. Komisch. Sobald die Tür hinter mir zu ist, habe ich überhaupt keinen Drang mehr zu lachen. Was bin ich für ein komischer Freak. Ich bleibe ein paar Minuten und schäme mich. Als ich wieder hereinkomme, sind die anderen schon dabei, das Thema abzuhaken. Sie haben beschlossen, dass Markus sich zusammenreißen wird. Das Feuerwerk dauert schließlich nur zehn Minuten, und als psychologische Stütze kriegt er für diese Zeit, ganz unauffällig, ohne dass Janina davon was mitbekommt, einen Feuerlöscher in Griffweite gestellt.
»Vielleicht regnet es ja auch, Markus. Dann geht das sowieso nicht mit dem Feuerwerk, oder?«
»Es wird nicht regnen, Bülent.«
»Schon klar, das hoffen wir alle. Aber es könnte …«
»Es wird nicht regnen. Janina hat fünfhundert Euro für eine individuelle Wettervorhersage für diesen Tag ausgegeben. Und die sagt, dass wir die ganze Zeit strahlenden Sonnenschein in Salzminden und Walchenau haben werden. Wenn das nicht stimmt, kriegen wir das Geld zurück.«
»Klingt seriös.«
»Na prima. Und ab sofort hören wir auf, uns verrückt zu machen, und freuen uns einfach drauf, okay?«
»Okay, Henriette.«
»Alles klar, Markus?«
»Alles klar.«
»BRUHAHA! … Tschuldigung, ich hör jetzt echt auf.«
Teil 2
Ohne Worte
Perverses Schwein
Der Tag, der Janinas und Markus’ schönster Tag des Lebens werden soll, 10:39 Uhr.
Was das Standesamt betrifft, haben wir in Salzminden großes Glück. Ein ultraromantischer alter Bau im Neoirgendwas-Stil, mit Treppengiebel, ein paar Erkern, Zierdingens um die Fenster herum, drinnen holzgetäfelte Wände und, ganz wichtig, eine große Freitreppe vor dem Eingang. Perfekt für Gruppenfotos. Patrick und ich stehen am Rand und beobachten die eintreffenden Gäste. Wenn alles gut läuft, werde ich in circa 17 Stunden zusammen mit ihm in einem weichen Doppelbett im Gästehaus von Schloss Walchenau liegen, und wir werden zufrieden den Schlaf der Gerechten schlafen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.
Bis jetzt stimmt alles. Doch, wirklich alles. Okay, es ist ein wenig schwül, und wenn man ganz pingelig ist, könnte man sagen, es hat vorhin ein paarmal ganz von fern gegrummelt. Aber die Betonung liegt auf »ganz von fern«. Und sollte es später wirklich noch, im krassen Widerspruch zur 500-Euro-Garantie-Wettervorhersage, ein kleines Sommergewitter geben, wird das die Stimmung auch nicht kaputtmachen. Ganz im Gegenteil. Wir werden in unserem schönen Schloss Walchenau sitzen, durch die riesigen Fenster schauen und aus der Form der Blitze die wunderbare Zukunft des Hochzeitspaars herauslesen. Unvergessliche Momente, Romantik pur und so weiter. Aber wahrscheinlich zieht das Gewitterchen einfach in weiter Ferne vorbei,
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