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Hauptsache, es knallt!

Hauptsache, es knallt!

Titel: Hauptsache, es knallt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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bevor die Lippen anfangen, sich einer Aufgabe zu widmen, die sie noch viel, viel besser können als reden, lächeln wir. Ein wenig über den Scherz mit dem aller-aller-allergefährlichsten Gast, viel mehr aber, weil wir denken: Ist ja schon bisschen speziell, so ausgerechnet hier im Standesamt, während unsere Freunde gerade heiraten. Und genau dieses Lächeln macht es noch so unendlich viel schöner, als wir uns …
    Hätte es noch so unendlich viel schöner gemacht, wenn wir uns geküsst hätten. Aber als hätte der Teufel persönlich den Zeitplan entworfen, geht natürlich genau in diesem Moment die Tür neben uns auf, und die Hochzeitsgesellschaft kommt mit der Wucht eines Wasserschwalls aus einer frisch geborstenen Staumauer her­ausgeschossen. Große Freude, dass alles so gut geklappt hat, muntere Gespräche, und in der nächsten Mikrosekunde stehen schon Henriette, Bülent und Patrick um uns herum.
    »Was war denn mit euch los?«
    »Ich …«
    »Mir war auf einmal schlecht.«
    »Oh nein, Jil, du Arme!«
    »Geht schon wieder.«

Luft
    Der Feiertross ist wieder komplett in den Flur gequollen. Turbo-Erich übernimmt die Führung, der Rest hinterher. Jil und ich stehen wohl oder übel auf und gehen mit den anderen mit. Ich muss an die vielen schwüls­tigen Gedichte denken, in denen dauernd von »Lippen«, die »dürsten«, die Rede ist. So doof das auch klingt, wenn man meine Lippen jetzt nach ihrem Befinden ­fragen würde, würden sie bestimmt auch irgendwas von »dürsten« krächzen. Aber wie kann das sein? Eben noch tief im Loch wegen Selina, und jetzt auf einmal verliebt, dass es nur so kracht? Und noch dazu in eine, die hier ganz neu ist. Auf einmal alles egal. Gibts doch gar nicht.
    Es gelingt mir, unauffällig zu Jil hinüberzuschielen und einen Blick zu erhaschen. Und Blicke können ganz toll sprechen, wirklich. Nur hatten die Blicke in unserem Fall halt schon alles gesagt. Die Lippen wären dran gewesen. Und dass sie nicht zu ihrem Recht gekommen sind, gibt mir ein Gefühl, als wäre mein ganzer Körper von Ameisen befallen. Schnell an was anderes denken. Am besten an was Gutes. An Herrn Tschymbowski und mich zum Beispiel. Und dass wir uns heute wohl nicht mehr begegnen werden. So lieb ich ihn auch habe, es ist besser so. Und ich bin überzeugt, er sieht das ähnlich. Ein andermal gerne. Irgendwo entspannt unter vier Augen. Und in einem dreifach schallisolierten Betonbunker. Und jetzt einfach was reden. Wird ja sonst alles nur noch schlimmer.
    »Was haben wir so verpasst, Henriette? Alles gut über die Bühne gegangen da drin?«
    »Kurts Ausweis war abgelaufen, und er durfte des­wegen nicht auf der Heiratsurkunde unterschreiben. Janina hat es aber mit Fassung getragen.«
    »Wie sieht Linda aus? Ich habe ihren Kopf nur ein Mal kurz und von weitem gesehen.«
    »Schulterfreies Satinkleid. Geht ihr unten gerade mal bis zu den Knien.«
    »Oha.«
    »Du sagst es. Sie ist heute ein Arschlochmagnet erster Güteklasse.«
    »Da drüben ist sie ja.«
    Oh mein Gott! Ich höre, wie an irgendeiner Stelle in meinem Hirn frivol gepfiffen wird. Gleichzeitig bewege ich mich reflexartig zur Seite, um Linda die Sicht auf Diethard Füllkrug zu verstellen. Okay, er hat einen Trachtenanzug an und keine Uniform. Aber man kann nie vorsichtig genug sein.
    »Wir müssen nachher wirklich aufpassen, dass sie nichts trinkt.«
    »Am besten, einer von uns bleibt immer in ihrer Nähe.«
    »Bülent, kannst du das übernehmen?«
    »Läuft.«
    »Und dann hätten wir ja auch noch Nichte Sinja. Ich möchte noch einmal daran erinnern: potentielle Zerstörungskraft neun! Wie merken wir rechtzeitig, wenn sie eine gefährliche Idee hat?«
    »Wenn bei ihr auch noch einer dauernd in der Nähe bleiben muss, haben wir bald keine Leute mehr.«
    Dass wir im nächsten Moment all unsere sorgenvollen Gedanken an die Zukunft sausen lassen, liegt nicht ­daran, dass es keine mehr gäbe. Im Gegenteil. Aber ein lauter Schrei holt einen doch immer sehr schnell aus den momentanen Gedankengängen heraus. Und dieser Schrei, der gerade von draußen hereinschallt, also wirklich, meine Herren, was für ein Schrei! So was kannte ich bis jetzt nur aus Filmen. Nur ein Mann, dem gerade das Allerliebste auf der ganzen Welt genommen wurde, kann so schreien. Es geht mir durch Mark und Bein. Wer? Und warum? Tapfer schieben wir uns durch die Menge. Je näher wir dem Ausgang kommen, umso mehr frage ich mich, ob ich die Antworten überhaupt wissen will. Vielleicht wird

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