Hauptsache, es knallt!
Tages zusammenzufassen. Alle werden sofort still und hören zu, und meine Nase gibt auf halber Strecke eingeschüchtert wieder auf. Jil guckt wie die anderen nach vorne in die Runde. Volle Konzentration auf die Hochzeit, und sonst gar nichts. Okay. Ist ja irgendwie auch richtig.
Henriette ist zuversichtlich. Es war zwar nicht alles perfekt bisher, vor allem die Sache mit dem gestohlenen Brautauto, aber es hätte auch noch viel schlimmer laufen können. Patrick ist dagegen ziemlich unruhig und ergeht sich in einem sorgenvollen Ausblick auf die nächsten Stunden. Die schwierigsten Gäste seien ja noch gar nicht eingetroffen, Sven Wiesenhöfer, Maik Proschitzki und die Russen zum Beispiel. Und der abgelaufene Trauzeugenausweis und das gestohlene Auto seien nur zwei von Hunderten von Nadelstichen, die Janina heute womöglich noch zusetzen würden. Und er sieht sie schon unter deren gesammelter Pein irgendwann zusammenbrechen wie Lady Macbeth. Bülent ist natürlich wieder viel positiver. Eine Hochzeit, bei der einfach weitergerockt wird, obwohl das Brautauto weg ist, die kann nur toll werden, sagt er. Und ich finde, da liegt er ganz richtig. Und irgendwie ist Jil ein wenig näher zu mir gerückt, so dass unsere Schultern ab und zu ganz zart aneinanderstupsen, und ich finde, da liegt sie ebenfalls ganz richtig. Leider müssen der Admiral und ich jetzt aber auch schon wieder los, um das Brautpaar pünktlich einzusammeln.
Zum Glück ist um diese Zeit überhaupt nichts los auf den Straßen, so dass ich mich völlig von den Gedanken an meine wunderbare Löwenzahnblume beherrschen lassen kann. Als ich den Schandauer Hof betrete, sind Janina und Markus gerade beim Dessert. Fast schon zu perfekt, das Timing. Hat was von Ruhe vor dem Sturm. Ich warte, bis der letzte Happen verspeist ist, dann brechen wir auf und schaukeln wenige Minuten später sanft auf der kurvigen Landstraße Richtung Walchenau. Je länger wir unterwegs sind, umso mehr Autos von anderen Gästen gesellen sich zu uns. Am Ende fallen wir wie ein blecherner Heringsschwarm in den Ort ein und kommen am Ende allesamt glücklich und unfallfrei vor der Dorfkirche zum Stehen.
Soweit ich es überblicken kann, hat es auf der Fahrt keine Verluste gegeben. Auch die anderen aus meinem Team entsteigen ihren Kutschen. Ich äuge sofort nach Jil, aber sie ist natürlich wieder nicht allein. Und kaum sehen wir uns in die Augen, gibt Henriette auch schon Anweisungen, wer sich in welche Richtung bewegen soll, damit wir die Situation vollständig unter Kontrolle behalten. Ich finde, sie übertreibt. Fühlt sich doch alles sehr gelöst an hier. Jeder tut das, was man von ihm erwartet. Aus dem Auto aussteigen, Rücken durchstrecken und sich die Garderobe richten. Hier und da muntere Gesprächsgrüppchen und vereinzelt laute Nach-langen-Jahren-Wiedersehensumarmungen. Dazwischen spielen ein paar Kinder Fangen, die kleineren werden in Kinderwagen gesetzt, und im Schatten einer alten Linde wird ein Säugling gestillt. Und der Fotoheini hat wieder eine neue pfiffige Idee: Er fotografiert nun die Hochzeitsgäste durch die Autoscheiben hindurch. Soll er ruhig. Heute muss der schönste Tag in Janinas und Markus’ Leben werden. Nicht der, an dem sie die Hochzeitsfotos zu sehen kriegen.
Markus’ Vater ist wirklich der Hammer. Wenn man ihn hier so auf dem Parkplatz herumspringen sieht, käme kein Mensch auf die Idee, dass diesem Mann vor zwei Stunden ein Porsche Panamera abhandengekommen ist. Selbst wenn er auf der Fahrt ein paar beruhigende Telefonate mit seiner Versicherung geführt hat, ist das immer noch eine reife Leistung, finde ich. Oder ist es doch nur eine Maske, die er da vor sich herträgt? Ich schiebe mich unauffällig in seine Nähe. Nein, auch aus kurzem Abstand keine Anzeichen dafür, dass er gleich während der kirchlichen Trauung doch noch in Tränen ausbrechen wird. Man kann sagen, was man will, der Kerl ist hart im Nehmen. Ich schaue zu Henriette hinüber, die ein paar Wagen weiter Janina und Markus auf die Pelle gerückt ist. Wir zeigen uns gegenseitig mit Daumen nach oben, dass alles in Ordnung ist. Bülent scherzt in einer anderen Ecke mit dem soeben angekommenen Sven Wiesenhöfer. Im Anzug sieht der Kerl richtig zivilisiert aus. Und gute Laune hat er dank Bülents Gesprächskunst auch. Nebenan unterhält sich Patrick mit der schönen Linda und versucht ihr den Blick auf Sven zu verstellen. Das wäre wirklich was, wenn sie sich heute ausgerechnet in den
Weitere Kostenlose Bücher