Hauptsache, es knallt!
Anglergruppe verabschiedet und bei meinen Piratentanzkollegen vorbeigeschaut. Dass ich Miss Potentielle-Zerstörungskraft-9-Sinja einfach so bei uns aufgenommen habe, brachte mir kritische Blicke ein. Nur Jil, die sich für ein paar Momente von der Weckenpitz lösen konnte, fand die Idee gut. Wir hakten es schnell ab, denn wir haben jetzt andere Prioritäten. Die oberste: herauszukriegen, was der Bananentanz ist. Sobald einer Bescheid weiß, soll er sofort alle anderen zusammentrommeln, haben wir ausgemacht. Die Zeit drängt.
Markus’ Vater ist inzwischen mit den Russen zurückgekommen. Wir fangen an, uns auf der Terrasse für die Gruppenfotos aufzustellen. Anschließend wird der Brautstrauß geworfen. Danach wird Alkohol fließen und der informelle Teil beginnt. Präziser ausgedrückt: Danach ist Polen offen. Füllkrug und Tante Otti werden wie die Hyänen auf die erste Bananentanzgelegenheit lauern.
Bis die Reihen für das Foto stehen, dauert es natürlich etwas. Der Vorschlag des Kunstfotografen, alle sollten sich mit dem Rücken zur Kamera aufstellen, ist von der breiten Mehrheit abgeschmettert worden. Das verbittert ihn sehr, aber keiner kümmert sich um ihn. Alle arbeiten daran, sich so um das Paar herum zu formieren, dass keine Gesichter verdeckt werden. Bei bunt gemischten Körpergrößen zwischen 1,14 und 2,02 Meter fast ein Ding der Unmöglichkeit, aber die Gästeschar gibt nicht auf. Stühle zum Draufstellen werden herbeigerückt, Sechzigjährige gehen mit knackenden Gelenken in die Hocke, und Frauen in hellen Kleidern setzen sich furchtlos auf den Boden. Der tapfere Hobbyfotograf steht breitbeinig vor der Bescherung und gibt Kommandos. Im Eifer des Gefechts merkt er zum Glück nicht, dass der Kunstfotograf zwischen seinen Beinen liegt und ihm in den Schritt fotografiert.
Ich sehe mir Markus’ Vater an. Ich finde, er hat ein viel zu mies gelauntes Gesicht dafür, dass sein Porsche wieder da ist. Gab es da vielleicht den ein oder anderen Kratzer im Lack? Muss ich später mal nachhaken. Vladimir und seine Russen wirken zum Glück überhaupt nicht so, als hätten sie schon drei Kneipen abgeklappert. Gerader Gang, klare Artikulation, nicht einmal eine Fahne ist zu erschnuppern. Drei Kneipen ist wahrscheinlich das gewöhnliche Aufwärmprogramm für sie. Hoffentlich kriegen sie nachher keine schlechte Laune mit unseren leichten Sommerweinen. Aber die sollen sich nur zusammenreißen. Werde ich ihnen später schon mal in einer ruhigen Minute erzählen, was sie da alles angerichtet haben mit ihrer Brautoentführung, denke ich mir und taste nach meinem Auge.
Eigentlich stehen wir jetzt perfekt für das Foto. Ich bin in der zweiten Reihe zwischen Jil und Patrick gelandet. Oh Mann. Wieder der Duft, wieder die Schultern, die aneinanderstupsen. Kann uns die Kamera nicht einfach aus der Gruppe herauslösen und an einen fernen Strand beamen? Weg von all dem Hochzeitsgedöns, das uns mit jeder Minute mehr auseinanderbringt. Es ist wirklich zum Heulen. Wir waren doch nur noch einen Kuss weit entfernt! In Zeit gerechnet vielleicht nicht einmal eine Minute, aber in Gefühl gerechnet Lichtjahre. Die magische Tür in die andere Dimension, die nur einmal alle drölf Millionen Sternzeitalter kurz auftaucht und dann wieder verschwindet, war offen. Wir standen schon auf der Schwelle und sind dann doch weggespült worden. Am Anfang habe wir uns noch irgendwo in der Nähe festgeklammert, aber mit jeder blöden kleinen Uneinigkeit über das doofe Hochzeitsthema wurden unsere Hände müder.
Der Fotomann sollte jetzt lieber schnell auf den Auslöser drücken. Die hintere Reihe kippt gleich von ihren Stühlen. Doch noch ist es nicht so weit, noch fehlt Markus’ greise Großtante Gerlinde vom konservativen Tisch. Nach dem aktuellen Stand der Forschung ist sie auf dem Klo. Ihre jüngere Schwester wurde ausgeschickt, um ihr Dampf zu machen. Nicht die feine englische Art, aber Gruppenfoto ist nun mal Gruppenfoto. Das sah Großtante Gerlinde wohl auch ein und beeilte sich. Als sie in der Tür auftaucht, zollt ihr die versammelte Gästeschaft wohlwollende Anerkennung dafür. Bald darauf aber, als Großtante Gerlinde sich weiter nähert, wünscht jeder doch still für sich, man hätte die alte Dame nicht so zur Eile angetrieben. Dann hätte sie nämlich rechtzeitig bemerkt, dass sie sich beim Anziehen den hinteren Teil ihres Rocks in den Schlüpfer gesteckt hat. Pietät und Geschmack verbieten es, sie öffentlich darauf
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