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Hauptsache, es knallt!

Hauptsache, es knallt!

Titel: Hauptsache, es knallt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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hinzuweisen. Selbst Diethart Füllkrug hält die Klappe und senkt seinen großen Kopf.
    Aber was sollen wir tun? Einerseits möchte jeder, dass der Po von Großtante Gerlinde so schnell wie möglich wieder bedeckt ist. Andererseits möchte ihr jeder er­sparen, dass sie erfährt, was die Leute in diesen Momenten alles sehen können. Am besten wäre es, ihr Schlüpfer würde einfach den Rock von selbst wieder freigeben, und Schwamm drüber. Aber Großtante Gerlindes Schlüp­fergummi hält ihren Rocksaum so hartnäckig fest wie ein Tiger seine Beute.
    Nur zwei Leute wissen genau, was sie zu tun haben. Der Erste ist der Kunstfotograf. Schon klar. Was für ein Motiv! Da steckt so viel Wahrheit drin, so viel Authen­tizität und das ganze Zeug. Schon pirscht er sich heran. Zum Glück gibt es noch den Zweiten, der weiß, was er zu tun hat: Patrick. Er schiebt seinen riesigen Körper so behände zwischen die Kamera und Großtante Gerlinde, dass nichts von der peinlichen Bescherung auf dem Film ankommt. Und noch bevor Tante Gerlinde sich wundern kann, wissen auf einmal auch noch zwei andere, was sie zu tun haben: Turbo-Erich hat sein Gefährt angeworfen und fährt den Fotografenheini rückwärts über den Haufen. Vladimir hilft ihm anschließend auf. Dass er ihm dabei etwas ins Ohr raunt und dazu die altbekannte Genick-umdreh-Handgeste zeigt, kriegt kaum einer mit. Und der Künstler konzentriert sich anschließend wieder darauf, seinen weniger talentierten Fotografenkollegen zu belästigen.
    Bis Patrick, Vladimir, Turbo-Erich und die immer noch unbewusst provozierend bekleidete Großtante Gerlinde in unsere Reihen eingegliedert sind, dauert es ein bisschen. Ein Stuhl, auf dem zwei Männer gleichzeitig stehen, gerät mächtig ins Wanken, überlegt es sich aber zum Glück noch einmal im letzten Moment. Wir ­haben auch keine Augen dafür, denn Tante Gerlinde und ihr Po stehen nun direkt vor uns. Ich halte die Luft an, die Lacher sind unterwegs. Jil, eine Ohrfeige bitte! SCHNELL! Aber nein, Jil … streckt die Hand nach Gerlindes Rock aus! Oh Gott! Tu es nicht, das merkt sie doch! Die Angst hat meinen Lachanfall zum Glück schnell ­erledigt … Jil zupft! Zwecklos. Das Ding rührt sich keinen Millimeter. Vielleicht, wenn man gleichzeitig am anderen Ende …? Ich kann nicht glauben, was meine Finger da gerade machen. Patrick wird weiß im Gesicht. Jil schaut mich an und zählt stumm. Eins, zwei, drei! Wir ziehen gleichzeitig, so fest, wie unser Mut es zulässt … Okay. Das Gute: Gerlinde hat nichts gemerkt. Das Schlechte: Es hat nichts bewirkt. Außer dass mir die Knie zittern. Wie kriegen wir das nur wieder hin? Jede Minute kann eine zu viel sein. Wenn die Arme merkt, wie sie die ganze Zeit herumläuft, fällt sie vor Scham tot um.
    »Wunderbar, genau sooo bleiben und schön lächeln. Es geht los!« Der Hobbyfotograf drückt den Selbstauslöser und hastet zu uns. Ich richte meinen Stirnbandschlips und ziehe die Mundwinkel nach oben. Diese Stille auf einmal, wenn die Uhr herunterläuft und jeder sein Fotogesicht macht. Total angenehm. Ich höre, wie die Gedanken der anderen herumschweifen. Wann gibts endlich Essen? Der Soundso könnte echt mal duschen! Habe ich den Herd ausgestellt? Und bei mir selbst zum tausendsten Mal: Was zur Hölle ist der Bananentanz? Erst als wir Sekunden vor dem finalen Klick auf einmal laute Stimmen von der Seite anrücken hören, sind wir mit einem Schlag alle wieder in der Gegenwart.
    »Hey! Moment mal!«
    »Da müssen wir aber auch noch drauf!«
    »Haha!«
    Einen kurzen friedlichen Moment lang denke ich mir noch: Okay, ein paar angetrunkene Nachzügler, kein Problem. Erst als ich hinschaue, erkenne ich das gesamte Ausmaß der Katastrophe.

Titanic
    Wie soll ich anfangen? Vielleicht so: Es gibt die alte Regel, dass bei einer Hochzeit keine Frau schöner gekleidet sein soll als die Braut. Aber wer will das schon so streng auslegen? Wenn eine Dame wirklich mal in ­einem Kleid erscheinen sollte, das in seiner Schönheit selbst das Brautkleid überragt, schreit trotzdem keiner: »Weg mit Ihnen! Was bilden Sie sich eigentlich ein?«
    Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn auf einmal eine zweite Braut vor der Nase des Brautpaars steht. Das ist echt ein starkes Stück. Vor allem, wenn die Frau den Bräutigam auch noch kichernd an den Arm fasst und »Hey, hast du mich etwa vergessen?« sagt.
    Ist das jetzt vielleicht schon der Bananentanz? Diethart Füllkrug steht schräg vor mir. Ich bin sicher,

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