Hauptsache, es knallt!
als Braut macht, wenn die Blümlein nicht in hohem Bogen in die Versammlung der Schönheiten einschlagen, sondern kraftlos über den Boden schlittern. Außerdem ist es für Janina vielleicht gar nicht schlecht, jetzt mal was so richtig mit Kraft zu machen. Da kann sie sich wenigstens ein bisschen abreagieren. Und wenn ich sie mir so anschaue, wie sie den Wartenden vorschriftsmäßig den Rücken zudreht und ihren Wurfarm ein paarmal hin und her pendeln lässt, um Schwung zu holen, werde ich immer zuversichtlicher, dass es genau so funktioniert. Ob Jil vielleicht wirklich …? Sie konzentriert sich und kriegt meinen sehnsuchtsvollen Blick nicht mit.
Diethart Füllkrug übernimmt das Kommando.
»Eins!«
Die Menge nimmt den Faden auf.
»Zwei!«
»DREI!«
Und Janina gibt alles. Meine Herren. So einen Wurf hätte ihr keiner zugetraut. Eigentlich hätte noch ein Weltklasse-Tennisspielerinnen-Schlagschrei dazu gepasst, aber da hat sie sich zurückgehalten. Dafür ist die Wurflänge Doppelweltklasse, wirklich. Die Genauigkeit dagegen, na ja. Kennt man ja von anderen Sportarten auch. Wenn der Fußballer seinen Elfmeter nur mit Kraft tritt oder der Golfer so weit ausholt, dass die Leute hinter ihm Angst kriegen, landen die Bälle auch immer sonst wo. Und sonst wo ist im Fall von Janinas Brautstrauß der Kopf von Sinja. Und das hätte nun wirklich keiner erwartet, denn Sinja stand weit abseits am Seerosenteich und war in tiefe Meditation über das goldene Vlies und die übrigen Geheimnisse des Gewässers versunken. Und dass der Brautstrauß nach dem weiten Flug über das freie Feld ausgerechnet ihren Kopf traf, das hatte schon was von dem Witz mit dem Fallschirmspringer und dem einzelnen Kaktus mitten in der Wüste.
Beim Fallschirmspringer wäre der Fall natürlich schnell erledigt gewesen. Ein paar saftige Flüche, die Stacheln aus dem Hintern gezogen, und weiter geht es. Beim Brautstraußwerfen ist es aber viel komplizierter, wegen der symbolischen Ebene. Wenn der Brautstrauß mitten in eine Frauenmenge hineinfällt und alle wild nach ihm grapschen und es mehr oder weniger Zufall ist, wer ihn am Ende hat, kann man ja noch sagen: »Pah, folkloristischer Zinnober, hat gar nichts zu bedeuten.« Wenn der Braustrauß aber auf einem Mädchen einschlägt, das ganz woanders steht und sich gar nicht für die Sache interessiert hat, kratzt man sich schon am Kopf. Und weil ein Braustrauß immer mit den harten, schräg abgeschnittenen Stielenden nach vorne fliegt, vergleiche Federball, hat er auch noch eine Schramme auf Sinjas Stirn hinterlassen. Also jetzt nichts, was nicht mit der Zeit wieder weggeht, aber zumindest für heute kann man sagen, sie ist gezeichnet. Von einem Brautstrauß. Und damit ist noch nicht Schluss. Nachdem der Brautstrauß von Sinjas Stirn abgeprallt ist, fliegt er in hohem Bogen weiter, mitten in den Teich. Und geht dort unter.
Es dauert, bis auch noch das letzte Stückchen Strauß unter der Wasseroberfläche verschwunden ist. Das macht es natürlich nicht besser, im Gegenteil. Hat was vom qualvollen Untergang der Titanic. Und ich kann keinem einen Vorwurf machen, der diese Szene mit einem traurigen, langgezogenen »Ouh!« kommentiert, aber wenn eine ganze Menschenmenge wie aus einem Mund »Ouh!« macht, wirkt es gleich noch einmal so dramatisch.
Wir sollten jetzt aufhören, schießt es mir einmal mehr durch den Kopf. Ein Brautstrauß im Teich ist vielleicht kein perfektes Ende, aber wir könnten das ja alle noch über einem Glas Wein vergessen und dann nach Hause fahren und uns freuen. Und dem blöden Wetter, das jetzt doch wieder auf sich aufmerksam macht, weil der Himmel sich erneut zugezogen hat und zu grummeln anfängt, strecken wir einfach die Zunge heraus, machen die Fenster zu und die Fernseher an. Und ab und zu denken wir an Markus und Janina, die nun ganz allein im schönen Schloss Walchenau … mit Frau von Weckenpitz … Nein, so funktioniert das nicht. Ich lasse meine Träumereien fahren und klatsche ein Mal fest in meine Hände. Wir müssen das bis zum Ende durchfechten. Jetzt erst recht. Piraten, an die Waffen!
Meine Piraten stehen alle brav in der Nähe des Brautpaars. Nur ist der Feind, an dem sie sich gerade abarbeiten, leider nicht mit Waffen zu bekämpfen. Janina weint. Wen wundert es. Nein, es ist nicht wegen der entführten Proletenbraut und ihres ach so lustigen Auftritts eben, sagt sie. Und auch nicht wegen des Brautstraußes. Es ist nur gerade irgendwie eben einfach alles ein
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