Hauptsache, es knallt!
gleich zurückrufen, denke ich mir. Gleichzeitig spüre ich aber noch ganz andere Schwingungen im Raum. Ja, ganz klar. Alle anderen fänden es gut, wenn ich jetzt ranginge. Jeder Einzelne hat inzwischen unsere Gastgeberin hassen gelernt. Und alle denken, dass es Zeit wird, ein Zeichen zu setzen. Ich schaue in die Gesichter und höre einen stummen Sprechchor: »Geh ran! Geh ran! Geh ran!« Nun gut. Einer so starken Mehrheit muss man sich beugen.
»Ja, bitte?«
…
»Markus, Janina, es ist Vladimir. Er will euch etwas sagen.«
Gäht niecht
Ich habe mein Handy vor dem Brautpaar auf den Tisch gelegt und es auf laut gestellt. Wenn Frau von Weckenpitz nicht im Hintergrund dauernd etwas von »Eines Tages machen meine Nerven das nicht mehr mit. Da will man den Menschen etwas Gutes tun und holt sich eine Horde unkultivierter Barbaren ins Haus, die einen nur herzlos ausnutzen« und so weiter brabbeln würde, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Markus hat sich vorgebeugt.
»Wir haben es nicht verstanden, Vladimir, kannst du es noch mal sagen?«
»Wier durften die Braut niecht entführen, deswegen chaben wier das Brauto entführt.«
»Brauto?«
»Ja.«
»Ihr meint das Brautauto ?«
»Genau, Brautoentführung.«
Markus’ Vater ist so schnell aufgesprungen, dass alle Theorien über Lichtgeschwindigkeit sofort umgetextet werden müssten.
»WO IST ES? WO SEID IHR?«
»Wollt ihr eine Hinwaiss?«
»NEIN! SAGT UNS, WO IHR SEID!«
»Wir sind in eine Kneipe mit zwei Fenster.«
»HÖRT SOFORT AUF …«
»Bernds Bierquelle?«
»Nein, Tiem. Fenster siend bunt.«
»Warte, warte … Katerklause?«
»Nein, da waren wier vorher. Wo wier jetzt siend, iest die Türr auf die Ecke.«
»Kurtis Eckstübchen!«
»Riechtig!«
»KOMMT SOFORT HER!«
»Gäht niecht. Können niecht mehr fahren.«
Zahlen
Herr Mitscherlich ist zusammen mit seinem Bruder abgerauscht, um den Porsche und die Russen sicher nach Walchenau zu bringen. Wir anderen haben die Kaffeetafel aufgehoben und tummeln uns nun draußen im Garten. Die Wolken lassen jetzt wieder ab und zu die Sonne durch, und Grummeln hört man auch keines mehr. Das muss man ausnutzen. Wenn Herr Mitscherlich halt nur Diethart Füllkrug statt seinem Bruder mitgenommen hätte, denke ich mir. Dann müsste ich mich nämlich jetzt nicht mit ihm unterhalten. Dass Roxana wegen des kranken Babysitters nach Hause musste, hat er mir tatsächlich geglaubt. Und mehr noch, seit meiner Nummer als Hochzeitspirat betrachtet er mich als Stimmungskanonenkollegen. Er duzt mich. Und er brennt auf fachlichen Austausch. Mit Hingabe erörtert er mit mir, welche Frauen die üppigste Oberweite haben und bei welchem trägerlosen Kleid die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass es zu späterer Stunde aus Versehen erotisch relevante Teile bloßlegt. Unglaublich. Dieser Mann hat wohl seit Äonen keinen Sex mehr gehabt. Aber muss er das jetzt an mir auslassen? Egal. Ich bin ja nicht zum Vergnügen hier. Jede Minute, die er sich mit mir unterhält, ist eine Minute weniger, in der er Janina und Markus die Hochzeit versauen kann.
Es gelingt mir sogar, ihn in einen etwas versteckt liegenden Teil des Gartens abzudrängen. Damit halte ich ihn nicht nur von den anderen fern, sondern bringe mich auch selbst in Sicherheit. Frau von Weckenpitz ist nämlich immer noch auf der Suche nach mir. Irgendwie kindisch, aber ich fange gerade an, mich mit meiner Rolle als Hochzeitspirat anzufreunden. Jedenfalls fühle ich mich viel entspannter, seit mein Hemd aufgeknöpft ist und ich das Schlips-Stirnband und das Tortenmesser im Gürtel trage. Da kann die Schlosstrulla von mir aus im Dreieck springen und Jil noch so mit den Augen rollen, ich habe nicht die Absicht, mich wieder von meinen Markenzeichen zu trennen. Schade, dass ich das Schwert nicht mehr habe.
»Lange bleibt dat hier nicht mehr so spießig, dat schwör ich dir, Captain Timmi. Eine Hochzeit, auf der die Braut nicht mindestens ein Mal heult, ist keine Hochzeit, han ich recht? Haha, Spass!«
Wieder landet seine breite Hand mit Schmackes auf meiner Schulter. Wieder kotzt irgendwas tief in mir angewidert in die Ecke.
»Bist du verheiratet, Diethart?«
»Nä. Wat nützt mir die schönste Frau von der Welt, wenn se meine eigene ist, sag ich immer. Weißt du, wat ich meine, mmh, mmh?«
»Vermutlich.«
Ich könnte ihn nach dem Bananentanz fragen, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass es taktisch besser ist, wenn er weiter glaubt, dass er die Überraschung
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