Hauptsache, es knallt!
auf seiner Seite hat. Was kann ich mit ihm reden? Ich brauche schnell ein Thema ohne Sexbezug. Lange halte ich es sonst nicht mehr mit ihm aus.
»Hast du dat Mädche da hinten gesehen? Rote Haare. Haha. Weißt ja, wat dat heißt: Feuer op dem Dach, feuchter …«
»AHHHHHH!«
»Wat?«
»Ach, nichts. Kriegsverletzung.«
Genug ist genug. Wenn ich nicht gleich eine Pause kriege, schreie ich das nächste Mal so laut, dass man mich bis nach Salzminden hört. Zum Glück bietet sich just in diesem Moment eine glänzende Möglichkeit, den Füllkrug weiterzureichen.
»Oh, da sind ja die Kinder. Hallo, hallo, kommt her! Der Diethart will euch unbedingt noch ein paar Witze erzählen.«
Die kleinen Fans scharen sich lachend um ihr Idol. Ich höre, wie in Dietharts Kopf die Tür zum feuchten Folterkeller der schlüpfrigen Herrenwitze krachend ins Schloss fällt. Solange er in der Gegend ist, sollte man am besten nur mit Kind an der Hand herumlaufen.
Okay, jetzt: Land gewinnen, durchschnaufen, Getränk organisieren, Versteck suchen. Auf dem Weg zur Dame mit dem Safttablett komme ich an Nichte Sinja vorbei. Sie sitzt mit ein paar sechsjährigen Rabaukenjungs am Seerosenteich. Sie haben selbstgebaute Angeln ausgeworfen und harren der Dinge. Ein geradezu abartig ruhiges Verhalten für Kerle in dem Alter. Sinja hat magische Kräfte.
»Was angelt ihr da?«
»Der Teich ist verzaubert. Wer lange genug wartet, angelt das goldene Vlies.«
»Aha.«
»Aber man muss schweigen können.«
Sie ist ein Genie.
»Machst du mit?«
»Na ja, ich … Ach, warum eigentlich nicht. Habt ihr noch eine Angel?«
»Ja, eine noch. Da liegt sie.«
Ich nehme den Stock mit dem Bindfaden dran, setze mich hin und angele. Schon lustig. Ich fühle mich auf der Stelle entspannt.
»Wirklich gut, dass du mitmachst. Jetzt stimmt die Zahl«, flüstert Sinja.
»Die Zahl?«
»Es müssen sieben Angeln sein, die nach dem goldenen Vlies ausgeworfen werden.«
»Was du nicht sagst.«
»Ich finde Zahlenmystik voll spannend.«
»Hab ich leider überhaupt keine Ahnung von.«
»Unbewusst schon. Du strebst immer nach eins, drei oder sieben, musst du mal drauf achten.«
»Okay.«
Und sogar noch was gelernt. Großartig. Um mein Glück perfekt zu machen, kommt die Dame mit dem Tablett und reicht mir ein Glas.
»Ich glaube, das war gerade das siebte Glas, das ich genommen habe, Sinja. Ist das jetzt gut für mich? Oder eher schlecht für die Servierdame, weil jetzt nur noch sechs Gläser auf dem Tablett sind?«
»Das ist egal. Man darf nicht zwanghaft werden, sonst wenden sich die Zahlen gegen einen. Nur bei den wirklich wichtigen und großen Dingen soll man darauf achten.«
»Zum Beispiel, wenn man nach dem goldenen Vlies angelt.«
»Zum Beispiel.«
Hab mich selten auf Anhieb so gut mit jemandem verstanden wie mit Sinja. Unsere sieben Schnüre schweben im Wasser. Ab und zu quakt ein Frosch. Ich trinke meinen Apfelsaft, und die fünf Jungs um uns herum schweigen und starren ins Wasser. Was auch noch gut ist: Ich habe von hier aus alles bestens im Blick. Markus und Janina stehen sehr entspannt mit ihren Trauzeugen und einer größeren Blase Freunde auf der Terrasse und feixen. Sven Wiesenhöfer hängt in der klar abgegrenzten Raucherecke auf der Terrasse herum. Maik Proschitzki, der mit Rauchen nichts am Hut hat, weil Yoga und Körperbewusstsein, unterhält sich weit entfernt von ihm am schattigen Waldrand mit Margot Mitscherlich, Nashashuk Ziegler und ein paar Leuten vom Normalotisch. Geht bestimmt wieder um Yoga. Bestens. Hoffentlich beschäftigt er sich den ganzen restlichen Abend mit Kundenfang. Keine Ahnung nämlich, wie stabil der Waffenstillstand mit seinem alten Freund Wiese ist.
Meine Hochzeitspiratengruppe kann ich ebenfalls prima beobachten. Bülent quatscht mit der schönen Linda, die er endlich von Maik losgeeist hat, und vertreibt andere sich nähernde Dummdreist-Lüstlinge mit grimmigen Blicken. Henriette scherzt derweil mit Nashashuk Ziegler und lässt sich etwas über Feuerwerke erzählen. Daneben unterhält sich Patrick mit Tante Otti. Er versucht etwas über die Hochzeitsspielchen zu erfahren, die sie plant. Leider schüttelt sie die ganze Zeit den Kopf und grinst verschlagen. Nichts zu machen.
Ich träume kurz davon, dass Jil sich jetzt einfach neben mich setzt und mit mir angelt, aber daraus wird nichts. Sie hat sich den härtesten Job von allen ausgesucht: Barfuß über den Rasen gelaufen, damit Frau von Weckenpitz’
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