Hauptsache Hochzeit
»Sendung« war eine Reality-TV-Show, in der die Teilnehmer erst ihr frustrierendes Liebesleben ausbreiteten und dann von sogenannten Experten lernten, wie sie es wieder aufpeppen konnten – durch Stylingtipps und Flirtunterricht. Ich hatte Helen dabei offenbar als Inspiration gedient; sie hatte sich furchtbar bemüht, mich zu überreden, dass ich die ganze Sache noch mal durchlaufen und mich dabei als ihre erste Kandidatin gnadenlos von Kameras verfolgen lassen sollte, aber ich hatte dankend abgelehnt.
»Ivana gibt Ratschläge im Fernsehen? Ehrlich?«, fragte ich. Ivana war nämlich der Ansicht, dass man lediglich ein beachtliches Dekolletee brauchte, um sich jeden beliebigen Mann zu angeln.
Helen zuckte etwas unbehaglich die Achseln. »Ja. Mein Produzent meint allerdings, man müsste sie etwas entschärfen. Die Ausdrucksweise, meine ich. Und auch … die Ratschläge.«
»Du meinst Sprüche wie: Frauen mit flachen Schuhen sind für Männer ungefähr so attraktiv wie Lesben?«, fragte ich, um eine ernsthafte Miene bemüht.
»Das und noch ein paar andere Sachen.« Helen verzog das Gesicht. »Aber ich versteh eigentlich nicht so recht, warum. Das Wunderbare an Ivana ist doch gerade, dass sie sich selbst nicht zensiert. Was sie sagt, kommt aus
tiefstem Herzen, weißt du. Sie sagt einfach unverblümt die Wahrheit.«
»Das kann man so sagen«, bestätigte ich und dachte daran, wie sie mich gezwungen hatte, durch den Regents Park zu rennen und dabei »ich bin wiiiiild!« zu schreien.
»Ich sagge Warrheit? Ja. Das ist beste.« Ich drehte mich um und sah, wie der Vorhang, der meine Kabine umgab, beiseitegeschoben wurde und die kleine Ivana in Erscheinung trat, bombastisch aufgemacht mit einem hautengen Lackkleid und zwölf Zentimeter hohen Absätzen. »Ah. Diese Kleid. Ist besser als anderres. Anderres Kleid warr billik und hässlich. Dies ist okay. Gutt.« Befriedigt ließ sie sich auf dem einzigen Stuhl in der Kabine nieder. »Aberr ich hap Frage.«
Ich blickte Helen unsicher an.
»Ach ja?«, sagte Helen.
Ivana nickte, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Du heiratten Max, ja? Immerr noch Max?«
»Ja, ich heirate Max«, antwortete ich geduldig und bedeutete Helen, dass sie mir beim Ausziehen helfen sollte. Stille Orte, an denen sich überdies Mütter mit ihren Töchtern einzufinden pflegten, waren nicht das geeignete Ambiente für Ivana. Giles sollte sich das Kleid an einem anderen Tag anschauen, beschloss ich. Jetzt war erst mal zügiges Verlassen dieses Ladens angesagt.
»Ja, hap ich mirr gedacht. Deshalp ich frrak mich, warum er ausgett mit anderre Frau?«
Ich fuhr herum und starrte Ivana an. »Andere Frau?«
»Samstakabend«, antwortete Ivana und betrachtete eingehend einen ihrer langen roten Fingernägel. »In Restaurant. Ich bin da mit Kunde, dreh ich mich um, seh ich Max, mit Frau.« Sie blickte auf. »Serr sexy Frau. Serr elegant.
Besser Haare als du. Vill besser Haare.« Sie beäugte mit vernichtendem Blick meinen Pferdeschwanz.
»Max hatte am Samstagabend einen Geschäftstermin«, sagte ich steif und wünschte mir, dass Helen sich mit den Knöpfen mehr beeilen würde. Max hatte mir gesagt, dass es sich bei seiner Verabredung um einen Mann handelte.
»Ah, Geschefftsterrmin«, sagte Ivana. »Hap ich auch.« Sie lächelte, was ihr Gesicht für einen Moment weicher erscheinen ließ. Dann schaute sie wieder auf ihre Nägel. »Hat nicht ausgesehn nach Geschefftsterrmin«, fuhr sie dann fort. »Kunden umarmen Mann nicht nach Essen, oderr?«
Ich warf ihr einen schneidenden Blick zu. »Er hat sie umarmt? Wahrscheinlich wollte er nur höflich sein.«
»Sie hatt umarmt ihn zuerst, aber dann er hatt auch.« Ivanas Tonfall war jetzt weniger grob, und sie trat zu mir und legte mir etwas unbeholfen die Hand auf die Schulter; Frauenfreundschaften fielen ihr nicht leicht. Sie sah mich ein paar Momente an, dann sprach sie weiter. »Ich glaube, sie ist geferrliches Biesst«, sagte sie. »Ich kenn aus mit so was.«
»Mag ja sein«, erwiderte ich. »Aber es verhält sich jedenfalls nicht so, wie du denkst.«
»Hatt so ausgesehn wie ich denke«, sagte Ivana leicht gekränkt und wich ein wenig zurück.
Helen hatte die Hände sinken lassen und sah mich nun beunruhigt an. »Scheiße. Glaubst du, Max …?« Als sie meinem Blick begegnete, schüttelte sie den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Tut mir leid.«
»Sollte es auch«, versetzte ich erbost und drehte das Kleid herum, so dass ich es selbst weiter
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