Haus aus Erde
Caldwell war es ein Artefakt aus einer anderen Epoche: Es passte in keine der standardisierten Kategorien populärer Belletristik zu Zeiten des Kalten Krieges. Aber wie Guthrie vielleicht sagen würde: »Alles Gute braucht Zeit.« Die Richtigkeit von Adobe-Häusern ist heute deutlicher denn je. Oscar Wilde hatte recht: »Literatur nimmt immer das Leben vorweg.« Als hätte Guthrie Haus aus Erde prophetisch geschrieben, mit der Erderwärmung im Sinn.
Wenn man Guthrie liest, hört man die vielen Stimmen der Leute, seiner Leute, der hart arbeitenden Menschen in den Great Plains, Menschen, die keine Plattform hatten, um ihrer großen Not Gehör zu verschaffen. Seine Stimme ist die des verlorenen, des unterdrückten, des vergessenen Amerikaners, der im Landesinneren sein Leben fristet.
Guthrie selbst war ein »gewöhnlicher Mensch«, außergewöhnlich war sein Bestreben, in seiner Kunst dem Proletariat eine Stimme zu geben. Er hoffte, Amerika würde lernen, würde die Logik von Schulden und Rückzahlung eines Tages abschaffen. Er wollte gehört werden, wollte etwas bewirken. Er wollte, dass man seine politischen Überzeugungen zur Kenntnis nahm, würdigte und respektierte. Wie seine drastischen Liebesszenen zeigen, hatte er vor niemandem Angst. Er kannte keine Furcht. Er lebte seine Kunst. Kurz, Guthrie inspirierte nicht nur seine Zeitgenossen, sondern auch Menschen späterer Zeiten, die Ungerechtigkeit wütend macht, die sich nach Gerechtigkeit sehnen, die davon träumen, Klassenunterschieden ein Ende zu bereiten.
Wir empfinden die Veröffentlichung von Haus aus Erde als wesentlichen Beitrag zu den Feierlichkeiten anlässlich Woody Guthries hundertstem Geburtstag, als bedeutsames kulturelles Ereignis und als wichtigen Bestandteil seines publizierten Œuvres. Er schrieb das Buch nebenbei; es stand nie im Fokus seines unerschrockenen Lebens als Balladensänger. Dennoch garantiert die Intensität des Romans ihm einen Platz im stetig wachsenden Gebiet der Guthrieana. Als wir Guthries Roman Bob Dylan zu lesen gaben, sagte er, er sei »überrascht von der Genialität« der fesselnden Prosa. Im Kern ist Haus aus Erde eine Meditation darüber, wie arme Menschen in einer korrupten Welt nach Liebe und Sinn suchen, einer Welt, in der die Reichen ihren moralischen Kompass verloren haben.
Haus aus Erde bekräftigt Guthries Position unter den Unsterblichen der amerikanischen Literatur. Guthrie überdauert als die Seele der ländlichen amerikanischen Volkskultur im 20. Jahrhundert. Seine Musik ist der Ackerboden. Seine Worte – Songtexte, Memoiren, Essays und nun auch Belletristik – sind die Bausteine des Hauses. Er ist vom Volk, durch das Volk, für das Volk. Möge seine Wahrheit lange gehört werden von all jenen, die hören wollen, von all jenen mit Hoffnung im Herzen und aufrechtem Gang. Guthries Vermächtnis als proletarischer Troubadour ist zutiefst menschlich, und sein Werk wird hoffentlich immer gefeiert werden. Wie Steinbeck schrieb: »Woody ist einfach Woody. Tausende wissen gar nicht, dass er einen Nachnamen hat. Er ist einfach eine Stimme und eine Gitarre. Er singt die Lieder des Volkes, und ich denke, er ist dieses Volk, irgendwie. Mit rauher und nasaler Stimme, seine Gitarre hängt wie ein Montiereisen an einer rostigen Felge, an Woody ist nichts Süßes, und nichts Süßes ist an den Songs, die er singt. Aber es gibt etwas Wichtigeres für die, die noch bereit sind zuzuhören. Es gibt den Willen eines Volkes, durchzuhalten und gegen Unterdrückung zu kämpfen. Ich glaube, wir nennen es den amerikanischen Geist.«
Douglas Brinkley und Johnny Depp
Albuquerque, New Mexico
Ü ber die Halme der trockenen Riedgräser sang der Wind der Upper Plains sein einsames Hohelied. Was nicht niet- und nagelfest war, bewegte sich mit dem Wind, der Staub aber blieb dicht am Boden.
Es war ein klarer Tag. Blauer Himmel. Ein paar gewittrige Quellwolken zogen ihre Schatten wie dunkle Laken über das flache Land um den Caprock, jene mächtige, hohe, gekrümmte Felswand aus Kalkstein, Sandstein, Marmor und Feuerstein, die die Lower Plains des westlichen Texas von den Upper Plains des Panhandle im Norden trennt. Die Canyons, die ausgetrockneten Flüsse, die sandigen Bachbetten, Gräben und Rinnen, die auf diese Felswand treffen, sind Friedhof für untergegangene indianische Zivilisationen, Flug- und Versuchsgelände für Herden lederflügeliger Fledermäuse, Darre für riesige Knochen und Zähne, Schlaf-, Nist- und Brutplatz
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