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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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wegrollen würdst, wenn du fällst, und dann würd ich dich nie mehr einfangen können. Setz dich hin. Mach’s dir unbequem.« Mit dem Handfeger zeigte er auf einen Stuhl. »Du weißt so gut wie ich, warum ich das sage. Setz dich hin.«
    »Aber. Tike.«
    »Komm mir nich mit aber! Du weiß genau, warum. Der Kleine sollte schon vor vier oder fünf Tagen kommen! Wahrscheinlich kommt er jeden Augenblick mit nem Traktor in der Hand rausgesprungen! Er kommt so spät, dass er erwachsen sein wird, noch bevor er geboren is. Setz dich hin. Ich will nich dein Blut an meinen Händen. Nich jetzt. Nich wenn ich auf dem besten Weg bin, Großgrundbesitzer zu werden. Setz dich hin. Wenn er hier aufm Fußboden rauspurzelt, bricht er sich noch das Genick!« Tike trug ein verblichenes altes blaues Hemd, das er sich in eine khakifarbene Arbeitshose gestopft hatte, und dieselben schweren Arbeitsschuhe wie vor einem Jahr, nur hatte er neue Gummisohlen drunter und die Schuhe mit Fett eingeschmiert. »Bin sowieso gleich fertig. Brauch keine Helferin nich. Schätze, ich muss mir n großes Schild drucken und draufschreiben: ›Helferinnen nicht benötigt, also ziehen Sie gefälligst weiter!‹« Als er mit dem Handfeger in der Luft herumfuchtelte, lösten sich ein paar Tropfen Kleister und landeten auf Ella Mays Gesicht, auf ihren Augenlidern und auf ihren Haaren.
    »Tiiike. Du alter Tollpatsch, du. Nicht! Wirst du denn nie lernen, dich in Acht zu nehmen?« Als sie sich aufs Bett setzte, um sich das Gesicht abzuwischen, quietschten die rostigen Sprungfedern. »Du gemeiner Kerl.«
    »Stell mal das Radio an. Mach mir n bisschen Musik.« Er nickte ihr zu. »Ich hab ne verdammt zarte Seele. Ich brauch hübsche Musik um mich rum, wenn ich meine Arbeit tu.«
    Ella May hob ihren Babybauch an und durchquerte das Zimmer, um die blanken Enden zweier Drähte miteinander zu verbinden, die das Radio in Gang setzen würden. Dabei grummelte sie gutmütig: »Oho hum hummy hummy hummm.«
    »Nein. Du setzt dich wieder da drüben aufs Bett! Ich kann die beiden Drähte selbst zusammenfieseln!« Als Tike mit dem Handfeger herumwedelte, verspritzte er noch mehr Kleister im Raum. »Hundertsiebzig Tage lang sollte man jeden Tag und jede Nacht n Bad in furchtbar guter Musik nehmen können.«
    Als sie sich wieder auf die Bettkante gesetzt hatte, drehte sie an den Knöpfen des Radios. Es war ein altes Gerät in einer grünen Metallbox, und der Lautsprecher saß auf der Box wie die Lüftungsanlage auf einem Schiff. Als Tike die beiden Drähte verzwirbelte, betrachtete Ella May den Lautsprecher und drehte an den Knöpfen. Tike hatte das Radio dicht ans Kopfende des Bettes gestellt, damit »Lady mit dem Baby im Arm einfach daliegen und zuhören« konnte.
    »Ich begreif überhaupt nich, was in dich gefahren is, dass du für so n alten Haufen Schrott so viel Geld ausgegeben hast«, schimpfte sie ihn sanft aus, als er auf seine Finger spuckte und einen kleinen Buckel in der Tapete glättete. »Warum bloß?«
    »Allmächtiger Gott, Lady, is doch nich zu viel für n gutes Radio. Und es is n gutes. Hab ne Anzeige in ner großen Zeitschrift gesehen, da steht’s drin. Die Firma hält große Stücke drauf.«
    »Ja. Das tut sie wohl, die Firma. Würd ich auch, wenn’s ne reiche Millionärin aus mir machen würd.« Sie legte die rechte Hand auf die linke Brust und krümmte sich vor scharfen Schmerzstichen. Als sie Tikes strenge Blicke sah, richtete sie sich wieder auf. Diese kleinen, scharfen, stechenden Schmerzen über der linken Brust kamen und gingen nun schon seit Monaten. Sie dachte zurück an den Tag, als sie die Sahnekannen über den Hof getragen und Tike sie mit seinem spitzen Ellbogenknochen gestoßen hatte. Seitdem hatte sie diese Schmerzen, aber nicht so schlimm, dass sie ihm davon erzählt hätte. Ein oder zwei Mal hatte er gesehen, wie sie sich vor Schmerzen krümmte, und sie danach gefragt. Sie hatte sie als gewöhnliche Frauenschmerzen ausgegeben, wie alle Frauen sie haben, wenn vor der Monatsregel ihre Brüste anschwellen. In letzter Zeit, seit sie das Kind in sich trug, waren seine Blicke schneller und schärfer geworden, und er traute ihren Worten nicht mehr, weil sie immer nur mit den Schultern zuckte und so tat, als ob nichts wäre. Er schaute sie so lange an, bis sie nervös wurde.
    »Was hast du?«, fragte er.
    »Ach, nur n paar Stiche in den Muskeln hier und da. Wenn ich mich bücke, komm ich kaum wieder hoch. Arbeite du nur weiter. Mach dir nich so viele

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