Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
Vom Netzwerk:
Hasten, Laufen, Hüpfen und Springen, Streitereien, Keilereien, alkoholisierte Schlägereien, Katerstimmung, Kopfweh und all so was. Zur Arbeit gehören alle Klimata, alle Dinge, alle Räume, alle Furchen, alle Straßen, alle Gehwege und alle Schuhe, die darauf stapfen. Nicht der Kreislauf der Planeten macht ein Jahr zum Jahr, nicht der Hauch eines leichten Windes, der von kalt zu heiß wechselt, Dunst wieder in Eis verwandelt. Ozeane von Wasser, die von den Gipfeln der Smoky Mountains fließen und sich ins Meer wälzen – sie mögen dazu beitragen, ein Jahr zum Jahr zu machen, aber sie machen das Jahr nicht aus.
    Vor ihrer Hochzeit hatte Tike einmal zu Ella May gesagt: »n Jahr is einfach ne neue Runde in unserm großen alten Kampf gegen die ganze Welt.« Damit meinte er seinen Kampf gegen das Wetter und gegen andere Menschen, manchmal auch gegen sich selbst. Doch mit seinen Worten kam er der Wahrheit sehr nahe. In gewisser Weise hatte er das Recht zu sagen: »Unser Kampf gegen die ganze Welt«, denn schon immer war es ihm so vorgekommen, als kämpfte seine kleine Familie dort draußen auf den Upper Plains gegen nahezu alles in der Welt. Er meinte nicht etwa: Ich, Tike Hamlin, kämpfe gegen die Welt und alles, was darin ist.
    Aber Tike hatte sich gedacht, dass der Kampf eine furchtbar komische Mischung war. In gewisser Hinsicht arbeiteten und kämpften alles und jeder gegen ihn. In anderer Hinsicht jedoch war er sich nicht sicher, ob es sich wirklich so verhielt, denn er wusste: Wenn es eine Krise gab oder wenn eine Kraftprobe bevorstand, würden seine Leute auf allen vier Seiten alles tun, um ihm zu helfen. Einige von ihnen. Ja. Nur einige von ihnen. Zu behaupten, dass alle ihm helfen würden, wäre verkehrt, denn er wusste nur zu gut, dass manche, wenn sie ihn mit offenem Mund an einer trockenen Straße liegen sähen, nicht einmal stehen bleiben würden, um ihm einen Schluck Wasser zu geben. Mit manchen Blutsverwandten hatte er sich in der Vergangenheit so heftig gestritten, dass sie seit zwanzig Jahren kein Wort mehr mit ihm wechselten. Und mit jedem Kalenderjahr wurden die beiden Parteien noch stolzer, noch kälter, noch stummer.
    Ella Mays größter Schmerz in dieser Welt war es, Hilfe von ihrer oder von Tikes Familie erbitten zu müssen. Ihr alter Daddy hatte gelächelt und versprochen, ihr mit Land, mit Gerätschaften und Krediten auszuhelfen, falls Tike mit seiner wilden Art sie zur Pforte des Hungertodes führte. Er hatte gesagt: »Mit jedem Jahr, das kommt und geht, wirst du tiefer sinken und noch tiefer sinken. Ohhh. Ich weiß, ihr jungen Wichte seid voller Feuer und Schwefel, und ihr glaubt, ihr könnt alles allein und auf eigene Faust schaffen. Ich werde einfach hier auf meiner Veranda oder irgendwo im Haus sitzen und warten, dass ihr angekrochen kommt und um Hilfe winselt. Wie geprügelte Hunde werdet ihr vor mir auf dem Bauch liegen.« Und sie hatte sein Gesicht nie mehr gesehen, seit sie ihn angespuckt und gesagt hatte: »Du und deine alte Farm und dein altes Steinhaus, ihr werdet vertrocknen und verrotten und zu gebranntem Pulver werden und euch in Luft auflösen, bevor ich jemals wieder einen Fuß über deine Schwelle setze. Wenn ich tot wäre, würde ich nicht dulden, dass man mich mit deinem Geld begräbt!«
    Tike und Ella May hätten manchen ihrer Leute, die offenbar stets gearbeitet, gespart, gekämpft, sich wirklich bemüht hatten, ihren letzten Löffelvoll Mehl oder Zucker oder ihr letztes Kleidungsstück gegeben. Andere, das wussten sie, würden das Geld »für ausgefallene Windeier verplempern«, es »mit vollen Händen in sämtlichen Freudenhäusern verschleudern«, »vor Eckläden herumlungern und auf ein Schäferstündchen hoffen, um es loszuwerden«, oder schlimmer noch, es »beim Karten-, Würfel- oder Dominospiel verzocken«.
    Und doch war die Sache nur schwer zu durchblicken. Die Methoden, die Gesetze, nach denen die Leute einander beurteilten, hatten keine klare Form. Die Leute kannten sich. Sie kannten die Vollguten, die Halbguten, die Dreiviertelguten und die Neunzehntelguten. Der eine hatte sechs schlechte und keine gute Seiten. Ein anderer drei gute Gewohnheiten und vier schlechte. Wieder ein anderer elf Sünden und zwölf Tugenden. Dieser hatte zwei Laster und eine ehrliche Ader. Der Nächste war gerecht in einigen Dingen und nichtsnutzig in anderen. Ein dritter in Ordnung, solange der Wind von Osten wehte. Ein vierter ein guter Mann, solange seine Frau für ihn dachte.

Weitere Kostenlose Bücher