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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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»Ja, wahrscheinlich lassen sich die meisten Frauen gern von einem Mann ausziehen. Aber es muss schon der Richtige sein. Und damit wir uns recht verstehen, Mister Hamlin, ich habe sehr viel mehr Männer ausgezogen als Sie Frauen. Ich war drei Jahre lang auf einem der besten Krankenschwestern-Colleges in Amarillo. Sie können mir nichts zeigen, was ich dort nicht schon gesehen hätte. Bilden Sie sich bloß nicht ein, dass nackte Haut mich aus der Fassung bringt.«    
    »Warum wirst du dann so rot?«, neckte er sie. »Schau dir nur dein Gesicht an. Du fühlst dich so getroffen, dass du nich mehr weißt, wo oben und unten is. Guck!«
    »Mein Gesicht ist vom Wind rot, nicht Ihretwegen. Und selbst wenn ich mich ein bisschen schäme, dann nur, weil Sie so ahnungslos sind.«
    »Was?«
    »Ahnungslos.«
    Da musste Ella May auf dem Bett herzlich lachen und klatschte in die Hände. »Gib’s ihm, Blanche! Gib’s ihm! Friss ihn auf und spuck ihn lebend wieder aus! Der glaubt, er kann jede Frau in Verlegenheit bringen, die ihm übern Weg läuft! Sag’s ihm! Gib ihm Saures! Er hat’s verdient! Ha ha!«
    Tike blickte von einem Gesicht zum andern, dann setzte er ein trockenes, kleines, verlegenes Grinsen auf: »Zwei gegen einen! Ein Teufelsspaß!« Er kratzte sich die Schuppen von den Haarwurzeln. »Ihr habt euch gegen mich verschworen! Verschworen!«
    »Ich bin nur eine. Eine, die Sie nicht so leicht auf die Palme bringen.« An Tikes Arm vorbei zwinkerte Blanche Ella May zu. Die Hände in den Hüften, stand sie mitten im Zimmer und ahmte einen gebückten, verkrüppelten Ranchbesitzer oder einen tabakkauenden Vorarbeiter nach. Mit der Zungenspitze fuhr sie die Wangeninnenseiten entlang, wiegte sich hin und her, musterte Tike von oben bis unten und sagte: »Sie glauben, ich bin ein ahnungsloses Mädchen, nur weil ich ein junges Mädchen bin. Sie glauben, ich drehe durch, weil ich keinen Mann um mich habe. Sie glauben, ich bin einsam. Sie glauben wohl, es macht mich kirre, nur weil Sie von was Nacktem reden. In den zehn Tagen, die ich hier bin, haben Sie alle möglichen Sachen gesagt, um mich in Verlegenheit zu bringen. Ich bin Ihnen nicht einmal böse. Alles, was Sie sagen könnten, haben die Männer in den Krankenhäusern längst gesagt, und auch denen bin ich nicht böse. Und wenn sie mich zehn Mal am Tag ausziehen und ins Bett zerren wollen – mir macht das nichts aus. Ich weiß, den Männern kann man keine Vorwürfe machen. Und ich weiß genau, warum Sie sagen, was Sie sagen, dies und das und das und dies. Ich bin ein sehr junges und sehr hübsches Mädchen, und Sie würden Ihren linken Arm hergeben, um sich mit mir ins Heu zu legen. Das fasse ich als Kompliment auf.«
    »Ha ha ha ha ha ha! Jetzt hast du dein Fett weg! Da ist der Ausgang! Mister Ladykiller! Ha ha ha ha!« Ella May krümmte sich vor Schmerzen und hatte das Gefühl, sie sollte nicht so laut lachen. Aber Tikes Gesichtsausdruck, wie er so dastand, eine Hand im Haar, die andere in der Hosentasche, war das Lustigste, was sie in den dreiunddreißig Jahren ihres Lebens gesehen hatte. »Hu hu hu hu. Dein Zug fährt gleich ab, auf Gleis 9. Wenn du ihn noch kriegen willst, musst du dich sputen!«
    Tike war nicht beleidigt oder wütend. Aber er zog sein Gesicht in Sorgenfalten und kramte seinen Tabakbeutel hervor. Als er auf ein Blättchen Zigarettenpapier blies und sich mit Daumen und Fingern eine Zigarette drehte, führte er sich wie der verrückteste Mann auf, der je einen Fuß auf die Plains gesetzt hat. »Weiber. Rennen rum und schmökern Bücher. Schleichen sich in alle möglichen Schulen ein. Stehlen sich in Colleges voll nackter Männer.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass das College voll nackter Männer war.« Wieder zwinkerte Blanche Ella May zu, dann machte sie ein todernstes Gesicht.
    »Haste deineutig gesagt!«, antwortete Tike.
    »Habe ich undeizweutig nicht gesagt.« Blanche nahm Mantel und Mütze von der Stuhllehne und hängte sie an einen Nagel an der Wand. »Habe ich nicht.«
    »Ella May. Lady, du hast sie gehört! Hatse nich gesagt, dass sie sich vor jedem Mann im College ausgezogen hat?« Er bat Ella May um Unterstützung, indem er ihr wie ein schwitzender Anwalt die Hand entgegenstreckte. »He?«
    Ella May war anderer Meinung. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Sie hat gesagt, dass sie sich als Teil ihrer Krankenhausausbildung um lauter Kranke gekümmert hat, Männer, Frauen und Kinder. Nicht um die Leute, die ans College gekommen sind.

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