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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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sein schöpferischer Geist ein Dutzend Traktoren und zog tausend Pflüge. Das Summen begann als jaulendes Baby im Getriebe des Geräts, und er sah es größer und lauter werden, so groß wie das ganze Zimmer und so laut wie die Stimmen von Blanche und Ella May, dann noch ein bisschen lauter. Auf seinem Gesicht stand ein bittersüßes, gemeines Lächeln.
    Als sie das Brummen der Zentrifuge hörte, fühlte Ella May sich etwas leichter, wusste sie doch, dass der Lärm der Maschine Tikes Gedanken und seinen entsetzlichen Stolz hinwegfegen würde. Sie konnten sich weiter unterhalten und ihn für eine Weile vergessen. So war das Wimmern der Zentrifuge wie ein Singen in der Seele, denn das Baby konnte besser atmen, wenn Ellas Bauchmuskeln nicht so fest angespannt waren. Und für das Baby war die singende Schüssel der Sahnemaschine wie eine weltweite Symphonie, die zusammen mit den vier Winden gegen die Rauchkringel, gegen die Löcher in den Schornsteinen, gegen das Harz auf Blättern und Borke anspielte.
    Solange die Zentrifuge sich drehte, blieb Tike stumm und ließ seine Gedanken über die Plains wandern. Ella flüsterte Blanche am Bettrand zu: »Hast du den alten Woodridge gefragt, was ich dir aufgetragen hab?«
    »Meinen Sie wegen des einen Morgen Land?« Blanche sprach so leise, dass Tike sie nicht hören konnte.
    »Ja«, antwortete Ella.
    »Ich habe ihm gesagt, welchen Morgen Sie kaufen wollen. Ich hab’s ihm auf einem Blatt Papier aufgezeichnet. Ich habe gesagt, der Morgen nördlich vom Haus. War das richtig?«
    Ella nickte. Sie betrachtete flüchtig Tikes Hand auf der Kurbel der Zentrifuge, dann senkte sie Blick und Stimme wieder. »Ja.«
    »Er hat gesagt, ich rede wie ein Kaninchen auf dem Abfallhaufen. Er hat gesagt, er will all sein Land zusammenhalten. Er will’s nicht aufteilen. Ich bin sogar so weit gegangen, zu sagen, dass ihr einen Keller ausheben und ein Haus bauen wollt. Da hat er mich gefragt, was für ein Haus, und ich habe gesagt: ›Oh, ein Haus aus Erde, glaube ich.‹ Plötzlich ist er ganz abweisend geworden und hat gesagt: ›Auf keinen Fall.‹«
    »Auf keinen Fall?«
    »Das waren seine Worte. Auf keinen Fall.«
    Ella Mays Muskeln schlossen sich fest um ihr Baby, ihr ganzer Körper war ein einziger betäubender Schmerz. Sie sagte nur: »Ah ja. Verstehe.«
    Als Blanche sah, wie düster Ella Mays Gesicht geworden war, versuchte sie, optimistischer zu klingen. »Aber er hat gesagt: ›Sie werden feststellen, dass ich wie jeder andere Geschäftsmann bin. Wenn Sie ein Haus aus Stein, aus Erde oder aus was weiß ich bauen wollen, verkaufe ich Ihnen einen Morgen am äußersten Rand meines Weizenfeldes.‹ Und er hat gesagt: ›Das Stück Land, auf dem das alte Holzhaus steht‹ – damit meinte er dieses –, ›könnte Weizen tragen, und ich habe vor, es noch vor Jahresende abzureißen.‹«
    »Weißt du noch, was er gesagt hat, welchen Morgen er verkaufen würde?«, fragte Ella.
    »Er hat gesagt: ›Irgendwo am Caprock.‹«
    »Irgendwo? Am Caprock? Oh. Großer Gott und Pferdegesicht! Auf dem felsigen Boden wächst ja nich mal n Zahnstocher. Für wen in aller Welt hält er uns eigentlich, der alte Raffzahn?« Sie schmeckte den Geschmack des Kummers auf der Zunge, und die Haut auf ihren Knien, Armen und Ellbogen kribbelte. Mit roten Augen und heißen Tränen beugte sie sich näher zu Blanche und zupfte an den losen Fäden der Bettdecke. »Wie viel, hat er gesagt?«
    »Zweihundertfünfzig.« Blanche fühlte, wie auch ihre Nase brannte. »Hat gesagt, Sie könnten sich keine Hoffnung machen, einen Morgen dieses Weizenlandes für weniger als fünf-, sechs- oder achthundert zu kaufen. Und wo würden Sie die herkriegen?«
    Als Blanche kopfschüttelnd nach unten blickte, bewegten sich ihre Haare im Lampenschein. »Nein. Ich weiß.« Sie warf einen raschen Blick auf Tike. Er füllte die große Schüssel auf der Zentrifuge nach, und sie hörte ihn mit Sahnekannen, Eimern, Trichtern und Behältern klappern. Sie hatte das Gefühl, dass er sie gehört hatte, aber viel Lärm veranstaltete, um so zu tun, als sei es ihm egal, worüber sie sprachen. Sie sah das Spiel seiner Muskeln, als er die Kurbel drehte und die Kannen hochhob. Sie hatte das Gefühl, dass er so viel Lärm wie möglich machte, um ihr Gespräch zu überdröhnen. Sie hob die Stimme und sprach lauter, um zu sehen, ob er noch lauter mit den Kannen klappern würde. Stattdessen drehte Tike die Kurbel mit höchster Geschwindigkeit und sang ein altes

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