Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
Vom Netzwerk:
Ich weiß es nicht.«
    Im Zimmer war kein Strahl, kein Streifen, keine Spur von Licht. Das Dunkel draußen vereinigte sich mit dem Dunkel drinnen, und während Tike auf dem Tischtuch nach den Streichhölzern tastete, die er hatte fallen lassen, schien es eine Weile lang, als hätten die Kälte, der Schneesturm und das Dunkel seine Hand besiegt, die dort nach einem Streichholz suchte.
    »Siehste, Lady was für n schlimmer Ort die Farm is, wenn die Dunkelheit die Sonne auslöscht?«
    »Zünden Sie ein Streichholz an«, forderte Blanche ihn auf. »Licht«, sagte Ella.
    »Eh du mir nicht verrätst, warum du getan hast, was du getan hast, gibt’s kein Licht nich in diesem Haus. Blizzard.«
    Und Ella antwortete aus dem Dunkel: »Ich, ich konnte nicht, ich konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass mein Baby hier in diesem alten Stinkpott von Hütte geboren wird. Das war nicht ich, Tike, das war nicht ich. Ich hatte nur ganz wenig damit zu tun. Das musst du mir, das musst du mir glauben. Heute Abend bin ich die fröhlichste Frau auf dieser alten Steppenläuferebene, weil mein Baby dein Baby ist und weil wir ohne Hilfe meines alten Landschweins von Daddy so weit gekommen sind. Und ich, ich, ah, oh, ich selbst bin mir eigentlich egal, Tike, das musst du verstehen. Ich weiß nicht mehr, warum ich den kleinen ausgefransten Schal umgelegt hab und in den Schneesturm rausgerannt bin, ich weiß nicht, warum. Ich werd’s nie wissen. Ich hab was vor mir gesehen, ne Menge Bilder, alle verschwommen und miteinander verschmolzen, ah, Leute, die ineinander übergingen. Ich sah, wie meine Finger ein Saatkorn in die Erde drückten, und ich sah, wie’s sich mit ner Dame an nem Schreibtisch verband, mit ner Familie, die Tabak in ner Scheune lagerte, mit Männern, die auf nem Schiff fuhren irgendwo. Ich sah, wie ihre Arbeit sich bis zu mir zurückverfolgen ließ und meine sich bis zu ihnen. Und dann hab ich das Zimmer hier gesehen und das ganze Haus, und ich hab kein Haus gesehen, sondern ne Art große, große, große Falle, schlimmer als n großes, großes, großes Tellereisen oder n Fangnetz. Und die Falle hatte lange, scharfe Zähne, und ich sah, wie die große Falle den Kopf von meinem Baby und den Hals von meinem Baby mit den Zähnen packte. Gott. An mehr kann ich mich nicht erinnern.«
    Tike sagte nur: »Ich fress n Besen.«
    Und im Dunkeln rieb Blanche Ella Mays Stirn und sagte: »Ich glaube, das ist der sonderbarste Albtraum, den je eine Patientin von mir gehabt hat. Ob er was zu bedeuten hat?«
    »Ja.« Ella May sprach mit hochrotem Gesicht, den Blick zur Decke gewandt. »Hat er. Hast du die Streichhölzer gefunden, Tike? Beeil dich. Mach die Lampe an. Diese furchtbare Dunkelheit drückt mich, als würd ich von nem Traktor überfahren. Ich seh den alten Dan Platzburgh vor mir, wie damals, als er seinen Traktor angekurbelt hat, der Gang war eingelegt, und der Traktor hat Dan über n Haufen gefahren und is auf ihn draufgeklettert, und die Stege an den Vorderrädern haben ihm die Arme an den Ellbogen abgesäbelt, und die großen Hinterräder haben ihn mit ihren schlammigen Stegen platt gewalzt, und die Egge am hinteren Ende hat ihn in tausend Stücke zerrissen und auf dem ganzen Acker verstreut. Du kannst kaum den Fuß auf irgendein Weizenfeld setzen, wo nicht Fleisch und Knochen von irgendwem verstreut sind. Hast du die Streichholzschachtel endlich gefunden, Tike?«
    Tikes Finger lagen bereits seit einigen Minuten auf der Streichholzschachtel, die auf den Tisch gefallen war, aber er wollte, dass Ella May im Schutz der Dunkelheit weitersprach. Statt ihr zu antworten, grunzte er nur, murmelte etwas in sich hinein und tastete auf dem Tischtuch herum. »Hmm. Mmm.«
    »Schlimme Schmerzen von Ihrem Sprint zum Nordpol?« Blanche spürte, wie Ellas warme Hände ihre berührten. »Alles in Ordnung?«
    »Ohhh. Alles in Ordnung.« Ellas Worte klangen, als kämen sie von einem meilenweit entfernten Canyon. »Bin gar nich richtig hingefallen da draußen im Hof. Bin nur kurz gerannt, dann hat mich der kalte Wind gepackt und anscheinend zur Vernunft gebracht. Bin nich schlimm gefallen. Hab nur gekniet. Wie ne Sünderin in der Kirche. Hab gebetet. Hatte vorher noch nie gebetet, aber ich weiß, da draußen im Wind hab ich gebetet.«
    »Worum?«, fragte Blanche.
    »Um ne Art Haus für mein Baby. Ein Haus, das allen Schmutz und allen Dreck abhält, und komisch, ha ha ha ha, wie ich mich da im Wind vorgebeugt hab und die paar feinen Schneeflocken

Weitere Kostenlose Bücher