Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
Vom Netzwerk:
der Geburten, die sie miterlebt hatte. Wie es dazu kam, dass sie in der Hütte der Hamlins weilte, ist eine lange Geschichte, zu der die Geburten etlicher Babys im Umkreis von hundert Meilen gehören. Sie besaß alle Dokumente, die eine Krankenschwester benötigte, war aber keine Ärztin. Sie konnte für einen Arzt einspringen, ihn aber nicht ersetzen. Sie konnte die meisten Untersuchungen durchführen, die ein Arzt durchführen kann, durfte sich aber nicht Ärztin nennen. Im ganzen County gab es nur einen Geburtshelfer, nur einen, der alle modernen Geräte, Ausrüstungen und Kenntnisse besaß. Es gab noch zwei weitere, einen zerstreuten alten Griesgram, der entweder kam oder auch nicht, und einen jüngeren Burschen mit schwarzem Schnurrbart, der die Nerven seiner Patientinnen mit seltsamen Zitaten aus berühmten Theaterstücken und Opern strapazierte. Blanche verlangte kein Geld. Wenn ihr zu Ohren kam, dass eine Frau schwanger war, stattete sie ihr einfach einen Besuch ab und redete einen Tag lang mit ihr. Gewöhnlich blieb sie für ein paar Tage oder Wochen, erhielt Kost und Logis und eine bestimmte Summe – was immer die Leute aufbringen konnten. Sie war weithin bekannt und wurde in jeder Farm- oder Ranchtür wärmstens empfangen. Da sie so hübsch war, hatte sie vielerlei leidenschaftliche Geplänkel mit Männern. Freilich schien niemand etwas Bestimmtes zu wissen, was ihr Liebesleben betraf, und in der Gegend kursierten viele Geschichten, solche, die dafür, und solche, die dagegen sprachen. Sie war keine Hebamme und auch kein Hoodoo-Heilerin. Ihre vollen Brüste und ihr kräftiger Körper bewirkten, dass mehr als ein Mann versuchte, mit ihr zu schlafen, ob im Haus oder im Freien. Tike Hamlin, den es nach einem aktiven Sexualleben gelüstete, hatte einige Male Gelegenheit gehabt, ihren Körper zu spüren, und mehrere Stunden am Tag und in der Nacht brannte er darauf, mehr von ihr zu spüren. Natürlich war sie ihm in diesem Punkt um mehrere Längen voraus und hatte sich nie auf ihn eingelassen.
    Tike hatte nie die schwierige Kunst erlernt, seine Gelüste für sich zu behalten. Für ihn war ein Gelüst ein Gelüst – er war nicht der Urheber seiner Gelüste, also brauchte er sich ihrer nicht zu schämen. Wieder und wieder sagte er zu Ella May, wie gern er »diese Blanche auf eine Weise vernaschen würde, die sie bewundert«.
    Ella May spürte, dass sie Tike nicht so wie sonst befriedigen konnte; falls sich jedoch ein leiser Schmerz in ihr regte, so wurde er mehr als wettgemacht durch die Freude, dass sie ein Kind unter dem Herzen trug, für sie das größte Wunder der Welt. Sie ging nicht einmal so weit, mit Tike zu schimpfen, weil er beim bloßen Anblick von Blanche mit den Lippen schmatzte. Sie sagte ihm bloß ein Dutzend Mal: »Das ist eure Sache, nicht meine.« Tike hatte sich allergrößte Mühe gegeben, Ella davon zu überzeugen, dass er seit Beginn ihrer Schwangerschaft mit ein, zwei anderen Frauen zusammen gewesen sei, aber sie hatte immer gewusst, dass er log. Wieder und wieder hatte er gefragt, ob sie ihm böse wäre, wenn er mit Blanche ins Heu gehen würde. Und wieder und wieder hatte Ella den Kopf geschüttelt und geantwortet: »Wenn du die Übung brauchst, nur zu.«
    Und als die drei sich jetzt in dem kleinen Zimmer drängten, empfand Tike all die Freuden und Schmerzen, die Ella May mit seinem Kind im Bauch empfand. Schon jetzt war er stolz auf die neuen Aufgaben, die auf ihn zukommen würden, wenn das Kind heranwuchs. Er rannte hierhin und dorthin und half Ella bei der Hausarbeit. Meist übernahm er es, wenn es etwas zu heben oder zu ziehen gab, und doch konnte er nicht das heiße Feuer aus seinem Kopf verbannen, das aufflammte, wann immer seine Blicke Blanche taxierten. Es war nicht der Wunsch, wegzugehen und den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen, es war nur das alte Gelüst, sie zu berühren, sie zu halten, ihre Haut zu spüren, sie zu küssen und sie überall zu beißen. Er bemühte sich, dieses Gefühl zu unterdrücken, zu verhindern, dass es ihm in den Sinn kam, doch je mehr er dagegen ankämpfte, desto stärker wurde es.
    Blanche wusste, dass die Wehen, die Ella May dort auf dem Bett erlitt, Tikes Leidenschaften nicht mindern würden. Vor dem Morgenlicht würde das Baby da sein, würde schreien und strampeln, aber Tike würde seine Empfindungen für sie auch dann noch hegen, wenn Ella May längst wieder herumlaufen konnte.
    »Was halten Sie davon, eine Aufgabe zu übernehmen,

Weitere Kostenlose Bücher