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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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Herd zuzuzwinkern und allen Gegenständen schöne Augen zu machen: den Wänden und den Tapeten, dem Heuballen, dem Ölofen, der Waschbank, dem Wassereimer, dem Schöpflöffel und schließlich Tike und seinen Zentrifugenkannen. Als sie sich verbeugte und Blanche ansprach, versuchte diese, ihr in die Augen zu schauen. Ella senkte den Blick, sie wollte nicht angeschaut werden. Blanche beobachtete sie schärfer, um herauszufinden, ob sie in einem Fieberwahn oder nur zu ihrem Vergnügen tanzte.
    Aus Osten, Norden, Westen und Süden sammelte Ella die Kraft für das Baby in sich, füllte ihre Lungen tief mit der Atmosphäre im Zimmer. Wie ein Schiff lud sie ihre Batterien mit ihrem eigenen Strom auf. Ihre Worte machten ein Geräusch wie eine knarrende Windmühle.
    Blanche hatte schon andere Frauen gesehen, die sich so aufführten, fast wie im Wahn, um Kräfte zu sammeln und ein neues Baby auf die Welt zu bringen. Sie war nicht beunruhigt, nicht erschrocken, nur vorsichtig, wollte sichergehen. Auf der Bank standen Eimer mit sauberem Wasser und ein kleiner Koffer mit Zeitungen, Stofffetzen, sauberen Waschlappen. Wozu sich sorgen? Die Nacht draußen war ein einziger heulender Schneesturm, der Wind fegte unerbittlicher über die Plains als ein Hurrikan über den Ozean, denn das Meer hebt und senkt sich und bildet Wogen, die wie Berge und Täler sind und den Wind verlangsamen, ausbremsen und brechen. Die flache Landschaft der Plains war so eben wie der alte Linoleumboden, und in Richtung Norden kam fünfzehnhundert Meilen lang nichts, was den Wind hätte aufhalten können, nichts als eine kleine Schlucht, ein Canyon, eine Stadt, ein Stacheldrahtzaun, das Haus eines Grundbesitzers, die Hütte eines Pächters oder Naturalpächters, und diese Dinge hemmten oder hinderten den eisigen Wind nicht mehr, als eine Kaninchenspur einen wilden Stier aufhalten würde. All das hatte Blanche im Hinterkopf, als sie Ellas seltsamen kleinen Tanz beobachtete.
    Blanche wartete, bis Ella May sich bis in die Mitte des Zimmers bewegt hatte. Dann klopfte sie das Kopfkissen zurecht, schlug die Bettdecke auf und sagte: »Kommen Sie, am besten legen Sie sich ins Bett. Ich kümmere mich ein bisschen um Sie. Ich glaube, die Presswehen kommen bald. Hier.« Sie sprach mit dem Rücken zu Ella May, und als sie auf deren Antwort wartete, war nichts als Tikes Gesang und das Wimmern der wirbelnden Zentrifugenscheiben zu hören. Sie klopfte auf Kissen und Decke und sagte noch einmal: »Finden Sie nicht, dass es an der Zeit ist, die Knochen auszustrecken und das kleine Äffchen ausruhen zu lassen?« Noch immer keine Antwort.
    Nur Tikes Gesang und das Summen der Zentrifuge. Blanche wartete stumm und berührte das Bett mit den Fingerspitzen. Es dauerte nur wenige Sekunden.
    Doch in diesen wenigen kurzen Sekunden nahm Ella May einen braunen Wollschal vom Nagel an der Wand, warf ihn sich um die Schultern, umfasste mit beiden Händen ihren Bauch und ging durchs Zimmer zur Tür. Bei jedem Schritt knirschte sie mit den Zähnen und sprach mit dem Zischen einer Schlange: »Nein. Nein, nein. Nein. Nein, nein, nein.« Mit der Rechten hielt sie das Gewicht ihres Bauches, mit der Linken griff sie nach dem Türknauf. Sie schluckte mühsam, um das tausendfache Elend zu unterdrücken, das an ihr fraß. Als sie den Knauf drehte, sah sie eine Vision, ein Bild von vielen Millionen Menschen, die alle durcheinander hindurchliefen. Das war eine Botschaft, dachte sie, und während sie dies noch dachte, wurde die Vision deutlicher, und sie hörte Worte, und die Worte lauteten: »Die Menschen in diesem Zimmer kommen und gehen. Sie kommen und gehen und laufen durcheinander hindurch. Und die Menschen von den Farmen und Ranchen im Umkreis, sie kommen und gehen und laufen durcheinander hindurch, sie laufen durcheinander hindurch. So wie Unkraut, Stängel, Heu, Stroh, Fussel, Pulver, Kreide, Staub bei Wind und Sonne steigen und fallen und durcheinander hindurchwirbeln, durcheinander hindurchwirbeln. Und die Menschen sind alle aus einem geboren und in Wahrheit alle eins. Die Menschen sind alle eins, so wie ihr, du und dein Baby, eins seid, so wie ihr beide, du und dein Mann, eins seid. Und die Upper Plains des Nordens sind ein einziger großer Leib, voneinander geboren und wiedergeboren, ebenso die Lower Plains im Süden. Und sämtliche Ebenen um den Caprock. Das ist die größte und einzige Wahrheit des Lebens und enthält alle anderen Bücher des Wissens. Das ist die einzige Wahrheit des

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