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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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Dime zu schnorren, um sich noch mehr zu besaufen. Und alle diese unberechenbaren Seelen flogen geradewegs in die Glaskugel der Kohlenöllampe auf dem Esstisch. Und die Klauen der Nachtdämonen griffen nach der Flamme des Feuers, um sie zu entwenden, weil sie glaubten, diese sei die Seele allen Lebens, die Erwärmerin aller Leiber, die Kraft in allem Tun. Die Flamme in der Lampenkugel hatte höhere Ideen und verzehrte sich danach, dem zu gebärenden Baby den Weg zu erhellen, verzehrte sich danach, sich in der Luft des Zimmers aufzulösen und genau im richtigen Augenblick, in dem Moment, da das Baby seinen ersten Atemzug tun würde, in seine Lungen, sein Blut, sein Gehirn und seine Augen eingeatmet, eingesogen, eingezogen zu werden. Die Seele der Lampenflamme kämpfte gegen die ungeborenen Schneesturmgeister, denn wenn diese die Flamme verschlangen, noch ehe sie in die Nase des Babys gehaucht werden konnte, würde es mehrere Millionen Jahre dauern, bis sie wieder Flamme eines Feuers war, eine Flamme, entzündet und hingestellt von der Hand einer Frau mit einem Baby im Bauch. Das Zimmer bebte, zitterte, sprühte und schäumte, wankte und schwankte, schlingerte und stampfte, und die Schatten der Schlacht, die zwischen der Flamme oder dem Feuer und den Winden von draußen tobte, zeichneten sich im Innern der Lampenkugel ab. Die Winde jagten in jeden noch so intimen Winkel des Zimmers, schnüffelten, schnupperten, stocherten, tasteten mit tödlichen Fingern und tanzten mit solch wilder Leidenschaft, dass es ihnen beinahe gelang, das Licht zu entwenden. Die Gegenstände im Zimmer blitzten hell und dunkel wie das Mündungsfeuer einer Million Freiheitskanonen.
    Und die Stimmen von Tike und Blanche, die Ella May hoben, trugen, schalten und beschworen, diese Stimmen schwebten ins Zimmer, durch die Wände, den Fußboden und die Decke, die Treppe hinauf zum Schlafplatz im Dachstock.
    »Du bringst dich noch um, dich und dein Baby.«    
    »Und wir beide sterben an Lungenentzündung.«    
    »Warum nur hast du das getan? Sag! Sprich! Halte sie an den Füßen. Ich hab ihre Hände. Sprich! Lady?« In Tikes Stimme lage eine rauhe Zärtlichkeit. »Sprich! Lady?«
    Und Blanche sagte: »Wenn Ihr Baby das überlebt, dann wird es alles überleben.« In jeder Hand einen von Ellas Füßen, zwängte sie sich durch die Tür. »Warum nur haben Sie das getan?«
    Die Hände unter ihren Armen, trug Tike ihren Oberkörper hinein. Tike war kein Mann, der sich leicht vor etwas fürchtete, ganz gleich, wie groß, wie klein, wie hässlich, wie gemein es war. Aber dies waren die schlimmsten drei Minuten, die er je durchlebt hatte. Das Blut war ihm aus dem Gesicht gewichen, bis dieses nur noch ein staubiges Weiß war, der kalte Wind hatte es zu einem Felsen und seine Augen zu Marmorkieseln versteinert.
    Bis dahin war Ella leicht zu handhaben gewesen. Von dem Schock einmal abgesehen, hatten ihr die Amsinckien im peitschenden Wind keinen körperlichen Schaden zugefügt. Sie hatten sie mühelos tragen können, doch in dem Augenblick, als sie fühlte, wie Blanche ihre Füße durch die Tür trug, wand sie sich, drehte sich und stampelte nervös mit den Beinen. »Nein. Nein. Nein« waren die einzigen Worte, die sie herausbrachte. Tike brauchte seine ganze Kraft, um sie ins Zimmer zu heben und die Tür hinter sich zuzuschlagen. Und während sie sie aufs Bett zwangen, kreischte sie umso lauter: »Nein NEIN NEEEIIIN!«
    Hinter Tike drückte der Wind die Tür wieder auf. Tike trat sie mit einem solchen Knall zu, dass der Luftzug die Lampe auslöschte.
    »Sehen Sie nur, was Sie getan haben«, sagte Blanche im Dunkeln und setzte sich neben Ella May aufs Bett, damit diese sich nicht auf den Fußboden warf. »Sehen Sie? Bleiben Sie ruhig.«
    »Du hast uns allen so n gottverdammten Schreck eingejagt, dass das Licht aus der Lampenkugel gehüpft ist. Warum sagst du nichts? Erklärst dich nich? Das finsterste Dunkel, das ich mein Lebtag gesehen hab. Man könnt’s mit nem Messer zerschneiden.« Tike tastete im Zimmer nach der Apfelsinenkiste über dem Esstisch, und Blanche seufzte vor Erleichterung, als sie seine Finger in der Streichholzschachtel kramen hörte. »Streichhölzer. Da. Huch. Habse fallen lassen. Gott schieb’s dem Teufel in die Schuh. Lady. Sieh nur, was du mit mir angestellt hast. Nun red schon. Wieso haste uns so n Streich gespielt?«
    Und dort im Dunkeln wälzte Ella May sich auf dem Bett und weinte in die Decke: »Alles hat mich dazu gebracht.

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