Haus der Angst
fünfundzwanzig.“
„Fünfzig. Die habe ich verdient.“
Er zwinkerte ihr zu. „Ich mag dich. Barbie. Du sitzt am kürzeren Hebel bei den Swifts, aber du kämpfst weiter wie eine Löwin. Ja. Ich mag dich wirklich sehr.“
„Es ist mir ernst. Ich will fünfzig Prozent.“
„Barbie, vielleicht solltest du noch mal darüber nachdenken.“ Er wippte auf seinen Fersen vor und zurück. „Ich bin kein sehr netter Mensch. Ich nehme an, du hast das inzwischen mitgekriegt. Meine Sympathie für dich ist gerade mal so groß.“ Mit Daumen und Zeigefinger deutete er etwa zwei Zentimeter an.
Sie zögerte. In ihrem Kopf drehte sich alles. Aber das war jetzt nicht die richtige Zeit, um kalte Füße zu bekommen oder Zeichen von Schwäche zu zeigen. „Also gut. Fünfundzwanzig Prozent“, sagte sie.
Jack Swift goss sich ein zweites Glas Wein ein. Es war ein trockener Obstwein aus Äpfeln und Birnen, und er stammte von einem neuen Weingut in seinem Heimatstaat. Er prostete Sidney Greenburg zu, die noch bei ihrem ersten Glas war. „Auf die Weine von Rhode Island.“
Sie lachte. „Ja, aber nicht auf diesen. Ich liebe Obstweine, Jack, doch der hier schmeckt einfach schauderhaft.“
Er lachte ebenfalls. „Das stimmt. Nun, ich bin noch nie ein besonderer Weinkenner gewesen. Ein guter Scotch – davon verstehe ich mehr.“
Der Abend war warm, feucht und ruhig. Sie saßen in dem kleinen, von einer Ziegelmauer umgebenen Garten seines Hauses in Georgetown. Rhode Island, der Bundesstaat, aus dem er kam und den er zuerst im Abgeordnetenhaus und anschließend im Senat vertreten hatte, schien weit entfernt in diesen Stunden. Hier hatte er seinen Sohn großgezogen, hier hatte er seine Frau während ihres langen und schließlich verlorenen Kampfes gegen den Krebs betreut. Und jetzt waren beide nicht mehr da. Er hatte daran gedacht, das Haus zu verkaufen. Er hatte es in seinen frühen Washingtoner Jahren erworben, und er würde es mit einem stattlichen Gewinn veräußern können. Er hatte sogar daran gedacht, aus dem Senat auszuscheiden. Barbara Allen hatte ihm beides ausreden können. Mehr als zwanzig Jahre lang hatte sie ihn vor manch einer überstürzten Handlung bewahrt.
„Ich weiß nicht, was ich machen soll, Sidney.“ Jack schaute in den hellen Wein. Die meiste Zeit des Abends hatten er und Sidney über Barbara Allen gesprochen. „Immerhin arbeitet sie für mich, seitdem sie ihr College-Praktikum bei mir gemacht hat.“
„Du wirst überhaupt nichts unternehmen.“
„Ich kann doch nicht so tun, als ob …“
„Doch, das kannst du, und du tust ihr damit sogar einen Gefallen.“
Sidney stellte ihr Glas auf dem Gartentisch ab. Es erstaunte ihn immer wieder, dass sie so viel für ihn empfand. Er war ein alter Witwer, ein grauhaariger, dickbäuchiger Senator, der sich nicht einmal besonders wichtig nahm. Sie war eine erstaunliche Frau mit sehr dunklen Augen und dunklem, von zahlreichen grauen Strähnen durchzogenem Haar. Sie benutzte wenig Make-up, und sie beklagte sich darüber, dass sie um die Hüften und Oberschenkel zu viel Gewicht angesetzt hatte. Jack war das überhaupt nicht aufgefallen. Sie war klug, freundlich, kompetent und selbstsicher. Sie fühlte sich wohl in ihrer Haut. Mit Lucys Eltern hatte sie in der Smithsonian Institution zusammengearbeitet und kannte sie, seitdem sie ein kleines Mädchen war – lange, bevor Lucy Colin getroffen hatte.
„Jetzt hör mir mal zu, Jack“, sagte sie. „Barbara ist keine Mitleid erregende Frau. Sie braucht dir nicht Leid zu tun, nur weil sie vierzig und nicht verheiratet ist. Wenn sie sich ohne Rücksicht auf ihr Privatleben der Arbeit widmet, so ist das ihre Entscheidung. Die Würde, diesen Entschluss getroffen zu haben, musst du ihr einfach zugestehen. Und glaube ja nicht, dass sie kein erfülltes Leben führt, nur weil sie keinen Mann und keine Kinder hat.“
„Das tue ich auch nicht. Ich würde niemals …“
„Selbstverständlich würdest du. Die Leute tun es doch andauernd.“ Mit einem Lächeln nahm sie ihrer Bemerkung die Schärfe. „Wenn Barbara Allen sich derzeit ein bisschen tollpatschig vorkommt und merkwürdig verhält, nimm es einfach hin und gib ihr die Gelegenheit, darüber hinwegzukommen.“
Jack seufzte. „Sie hat sich mir praktisch an den Hals geworfen.“
„Und ich nehme an, dass sich dir noch niemals eine
verheiratete
Frau an den Hals geworfen hat?“
„Nun ja …“
„Ach komm, Jack. Wenn Barbara sich unverheiratet verrückt benimmt,
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