Haus der bösen Lust (German Edition)
robusten Holztisch steht eine Sitzbadewanne, in der noch Wasser ist. Du bemerkst, dass Haare und Gesicht des Toten triefnass sind, allerdings erst, nachdem du siehst, dass seine Hose offen ist und zwischen seinen Beinen ein großer Fleck geronnenen Blutes zu sehen ist.
Etwas in deinem Kopf, das nicht dein eigener Wille ist, lässt dich den Holzdeckel der Kommode anheben. Du blickst hinein und siehst das Ding des Mannes im Wasser des Nachttopfs treiben.
Du weichst aus dem Raum zurück, passierst die verriegelte Tür und bewegst dich zu der daneben weiter.
Als du sie öffnest, wirst du zu Boden geschleudert.
OH Gott! Was IST das?
Es ist keine Person, die dich zu Boden gestoßen hat, sondern der Gestank, der aus dem Zimmer pflügt. Es ist ein abscheulicher, heißer Verwesungsgeruch, vermischt mit einem anderen Gestank, der an eine Latrine an einem schwülen Sommertag erinnert.
Du rappelst dich auf und blickst in den Raum ...
... und du brüllst hundertmal lauter als zuvor, als Mr. Morris dir die Nähnadel in die Brustwarze gestochen hat.
Du starrst auf eine nackte, seit Tagen tote Frau hinab, die mit gespreizten Schenkeln auf einem blutverkrusteten Bett liegt. Eine große Axt wurde genau zwischen ihre Beine in den Körper geschlagen.
Kurz, bevor du rückwärts kippst, glaubst du, noch etwas zu bemerken: einen blutigen Fötus auf dem Boden. Aber er ist winzig, kaum größer als eine Feldmaus. Er sieht aus, als sei er unter jemandes Schuh zermatscht worden.
Schritte poltern die Treppe herauf, und nun glaubst du, auch einen Hund bellen zu hören.
Der zweite Mann würgt und presst hervor: »In Gottes Namen ... Was ist das für ein Gestank? Pisse?«
»Was, zur Hölle ...« Der Marschall schaut in das Zimmer.
Der andere Mann hilft dir auf. Er sieht aus, als würde er sich am liebsten über das Geländer des Treppenflurs übergeben. Sie alle haben genug gesehen.
»Ich schätze, wir haben Mrs. Gast gefunden ...«
»An diesem Ort geht etwas rein Böses vor sich.« Sein Kopf ruckt herum. »Wo ist dieser bellende Hund?«
Der andere Mann lässt dich am Geländer lehnend zurück. »Hinter der Tür hier.«
Du hebst eine Hand an die Brust. »Sie ist abgesperrt ...«
KRACH!
Sein Stiefel tritt die Tür ein. Weiterer durchdringender Verwesungsgestank strömt auf den Flur, dicht wie eine Wolke, und ein dürrer, schlammbrauner Hund prescht aus dem Zimmer und verschwindet die Treppe hinunter. Der Mann ist bereits auf die Knie gesunken und kippt zur Seite. Er hat das Bewusstsein verloren.
Der Marschall schaut in den Raum. Als er sich zu dir umdreht, ist alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen, und obwohl es unmöglich sein kann, könntest du schwören, dass einige seiner Haare in der kurzen Zeit seines Blicks in das Zimmer ergraut sind.
Er legt dir seine Hand über die Augen und dreht dich um. »Verschwinde aus diesem Haus, Mädchen. Verschwinde sofort und komm nicht zurück.«
»Aber Sir, was ist in dem ...«
»Verschwinde auf der Stelle! Lauf zum Dorfplatz, läute die Glocke und sag jedem Mann, dass er hier raufkommen soll, um mir zu helfen.«
»Aber ...«
»Geh!« Er schiebt dich auf die Stufen zu. Du stolperst die Treppe hinunter. Du kannst den Marschall weinen hören. »Gott, steh uns bei, allmächtiger Gott, bitte steh uns bei ...«
Unten wirkt die geräumige Eingangshalle plötzlich kleiner und sehr dunkel.
Als du dich umdrehst, erstarrt dein Herz erneut, und du schreist beinahe laut auf.
An einem Tisch sitzt ein Mann und schreibt etwas. Er schaut auf und sieht dich an, als sei er verärgert.
»Wer bist du, Kind?«, fragt eine schnarrende Stimme.
»Harriet ...«
»Ach ja, die Hure ...« Er wendet sich wieder dem Schreiben zu. Einen Moment später erkennst du ihn wegen des albernen roten Hutes und der Metallnase – einer von Mr. Gasts Angestellten, der dich einmal dafür bezahlt hat, dir beim Scheißen zusehen zu dürfen.
»Du solltest von hier verschwinden«, murmelt er, ohne dich anzusehen. »Selbst mit der schweren Sünde deines Daseins als Hure bist du gesegneter als jeder, der je einen Fuß hierhergesetzt hat.«
Du verstehst ihn überhaupt nicht.
Er erhebt sich am Schreibtisch. In der Hand hält er einen Stapel länglicher Papierbögen, die er in einen der zahlreichen Briefschlitze des Tisches schiebt. »Die brauche ich nicht mehr.« Seine winzigen Augen wandern prüfend durch den dunklen Raum. »Und dieser Ort braucht mich nicht mehr.«
Nun streckt er die Hand aus, und sie ist voll mit
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