Haus der bösen Lust (German Edition)
verkatert ist.« Dann betrachtete er sein Glas und stellte fest, dass er gerade sein viertes geleert hatte. »Aber heute bin ich ein Regelbrecher. Noch eins, bitte. Und für Jiff auch.«
»Vielen Dank, Mr. Collier«, sagte Jiff, der mittlerweile hörbar lallte.
Als Dominique mit zwei weiteren Bieren zurückkehrte, verspürte Collier den Drang, die Unterhaltung fortzusetzen. »Allerdings habe ich es nie als besondere Sünde angesehen, ein paar Bier zu trinken. Ich hoffe zumindest, dass es keine ist.«
»Trunkenheit führt zu Versuchung«, erwiderte Dominique und betastete dabei unbewusst ihr Kreuz.
»Dessen bin ich definitiv schuldig«, gestand Collier.
»Klar, und das gilt für uns alle. Sich bemühen, nüchtern zu bleiben, ist eine Form von Buße ...« Plötzlich runzelte sie die Stirn, als ärgere sie sich über sich selbst. »Aber ich will Sie nicht bekehren. Das ist nur meine persönliche Ansicht. Religiöse Überzeugungen sind etwas Individuelles. Wenn man so lange wie ich in der Gastronomie gearbeitet hat, lernt man schnell ...«
»In einer Bar nie über Religion zu reden«, beendete Collier wissend den Satz für sie.
»Richtig. Ich möchte bloß nicht, dass Sie denken, ich sei eine religiöse Fanatikerin. Anderen vorzuschreiben, wie sie leben sollen, ist die schlimmste Form von Scheinheiligkeit. Ich finde, es ist am besten, seinen Glauben durch Taten zu zeigen, nicht durch leeres Geschwätz und Schuldzuweisungen. Egal, ob man Christ, Jude, Moslem, Buddhist oder sonst etwas ist. Ich versuche, meinen Glauben zu leben, nicht, darüber zu reden.«
Diese Frau ist cool, befand Collier. Außerdem wurde ihm klar, dass er bereits halb betrunken war. Mach dich bloß nicht zum Narren! »Sie wollten mir ja nicht vorschreiben, wie ich leben soll, Sie haben mir lediglich erklärt, warum Sie nur ein Bier pro Tag trinken. Bierkritik ist eine anspruchsvolle Wissenschaft. Trinkt man zu viel, könnte man genauso gut stinknormales Fassbier runterstürzen, weil ...«
»Weil man die feinen Nuancen von gutem Bier nicht herausschmecken kann, wenn man einen Rausch hat.«
Gott, ich stehe echt auf sie, gestand sich Collier ein. Sogar die Art, wie sie redete – halb umgangssprachlich, halb philosophisch –, empfand er als sexy. Sie blickte auf die Uhr, dann entschuldigte sie sich. »Ich muss rauf und nach der Würze sehen. Bitte gehen Sie noch nicht.«
»Fiele mir nicht im Traum ein. Womöglich muss ich mir noch ein sechstes Glas von Ihrem Bier gönnen. Wie Sie sehen, werfe ich meine Regeln ziemlich schnell über den Haufen«, scherzte er, »aber in dem Fall kann ich nur Ihnen die Schuld daran geben.«
»Mir?«
»Weil Sie die Brauerin eines der allerbesten Biere in Amerika sind.«
Sie lächelte über das unverhohlene Kompliment, bevor sie durch eine Tür hinter der Bar verschwand.
Jiff beugte sich besorgt zu ihm. »Scheiße, Mr. Collier, hat sie gesagt, dass sie ’ne Warze hat? Mann, davor sollt’ man sich echt hüten. Die sin’ ansteckend.«
Collier schaffte es leicht, gleichzeitig die Stirn zu runzeln und belustigt zu lächeln. »Nicht Warze, Jiff. Würze. So heißt das Bier, bevor Hefe und Hopfen hinzugefügt werden. Erst nach dem Fermentieren der Lösung und dem Filtern überschüssiger Proteine wird offiziell Bier daraus.«
»Ah ja, stimmt. Jetzt, wo ich drüber nachdenk’, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich das gewusst hab. Und es is’ verdammt gut, dass sie keine Warzen hat. Nich’, dass ich selbst je welche gehabt hab. Jedenfalls würd’ ich sagen, es is’ klar wie Kloßbrühe, dass sie schwerstens für Sie schwärmt.«
Verunsichert sah Collier ihn an. »Glauben ... glauben Sie wirklich, Jiff?«
Jiffs Kopf rollte mit einem großen, breiten Grinsen im Gesicht zurück. »Scheiße, Mr. Collier, ihr Gesicht hat gestrahlt wie ’n Flipperautomat, als Sie mit ihr über Bier geredet haben.« Dann stieß Jiff ein Kichern hervor und stupste Collier mit dem Ellbogen. »Und scheiß drauf, ich kann Ihnen sagen, dass noch wer ziemlich auf Sie steht, aber verraten Sie bloß nich’, dass ich was gesagt hab ...«
»Lottie«, riet Collier.
»Äh, ja, klar, aber ich red’ nich’ von der dummen kleinen Gans. Ich mein’ meine Ma.«
Collier fühlte sich wie benommen. Hat mir der Kerl gerade wirklich gesagt, dass sich seine MUTTER zu mir hingezogen fühlt? »Äh, wirklich?«, sagte er.
»Und ich muss Ihnen sagen, es gibt zwanzig Jahr’ jüngere Typen, die ständig mit meiner Ma ausgehen wollen. Ja, ich weiß,
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