Haus der bösen Lust (German Edition)
Collier zurück. »Geschäft ist Geschäft. Man muss dem Markt das geben, was er will. Aber lassen Sie mich sagen, dass dieses Hausbier hervorragend ist. Würden Sie dem Brauer bitte mein Kompliment ausrichten?«
»Das haben Sie gerade getan«, erwiderte sie.
Collier zeigte sich verdutzt. »Sie ...«
»Genau, Mr. Collier«, bestätigte sie ohne jede Arroganz. »Ich habe einen Braumeisterabschluss von der Brauerschule in Kulmbach, außerdem habe ich Ergänzungskurse bei den Brauereien Budvar in Budejovice und Tucher in Nürnberg absolviert.« Sie deutete zwischen die Jungbierkessel. Dort hingen deutlich sichtbar die Zeugnisse.
»Das ist unglaublich«, sagte Collier. In den fünfzehn Jahren, die er über Bier schrieb, war er noch nie einem Amerikaner begegnet, der einen Abschluss in Kulmbach besaß, und höchstens zwei oder drei Frauen, die überhaupt Braumeisterinnen waren. Plötzlich empfand Collier sie als den Star. Sein Interesse steigerte sich schlagartig. Diese energische kleine Frau mit dem schwarzen Haar und den rauen Händen ist für ein Lagerbier verantwortlich, das zu den besten in Amerika zählen muss ... Dominique Cusher.
Jiff schien durchaus damit zufrieden, sich aus der Unterhaltung herauszuhalten, während er weiter Bier trank und den Rest seines Burgers aß. Dominique stützte sich lächelnd auf die Ellbogen. »Ich vermute, Sie sind auf Urlaub, richtig? Es wäre ziemlich arrogant zu denken, Sie könnten so weit gereist sein, um mein Bürgerkriegsbier zu probieren.«
»Aber das habe ich tatsächlich getan. Ein paar Kollegen haben mir davon erzählt.« Er trank einen weiteren Schluck und konnte keine Spur von Eintönigkeit feststellen. »Es ist wirklich fantastisch.«
»Mr. Collier is’ grad dabei, ’n Buch fertig zu schreiben«, warf Jiff ein.
Collier nickte. »Ich brauche noch einen weiteren Eintrag für mein Projekt ›Die besten amerikanischen Biere‹. Ich will nicht voreilig etwas versprechen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es dieses Bier werden wird.«
»Das wäre eine echte Ehre.« Sie bemühte sich, ihre Aufregung zu überspielen, doch ihre Augen strahlten. »Also noch keine Gaumenermüdung, was?«
»Nein«, räumte Collier ein. »Ich entdecke überhaupt keine Schwachpunkte. Wissen Sie was? Ich lade Sie auf eines ein. Es bringt Glück ...«
»… den Brauer auf ein Glas seines eigenen Biers einzuladen«, beendete sie den Satz für ihn. »Geht auf das Reinheitsgebot zurück.« Dominique schenkte sich ein Glas ein, dann stieß sie mit Collier und Jiff an – wobei Jiff ein wenig von seinem Bier verschüttete.
»Prost«, sagten Dominique und Collier gleichzeitig.
Collier lächelte sie an. »Ich würde ja auch einige Ihrer anderen Spezialitäten probieren, aber damit sollte ich warten. Ich will nicht, dass irgendetwas meinen ursprünglichen Eindruck von dem Bier verwässert. Enthält das Rezept etwas Einzigartiges, das Sie mir verraten können?«
»Ist ein Familienkniff«, erwiderte Dominique. Sie schien ihr Glas mit exakt gemessenen Schlucken zu leeren. »Eine Variation von Saazer Hopfen und einige Temperatureigenheiten beim Stammwürzevorgang. Aber bitte sagen Sie das niemandem. Meine Vorfahren würden aus ihren Gräbern kriechen und mir die Hölle heißmachen.«
»Sie entstammen also einer Familie von Brauern?«
»Ja. Dieses Lokal gibt es in jeweils unterschiedlicher Gestalt schon seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, und den Cushers ist es gelungen, es durchgehend zu erhalten, sogar während des Kriegs. Als die Bundestruppen die Stadt 1864 eroberten, brannten sie jedes einzelne Gebäude nieder – außer diesem Lokal. Nachdem die Nordstaatler das Bier gekostet hatten, wollten sie das Haus nicht mehr abfackeln.«
»Verständlich.«
»Das einzige andere Gebäude, das sie unversehrt gelassen haben, war das Haus der Gasts, das jetzt Mrs. Butlers Pension ist.«
»Ich frage mich, warum sie das nicht auch niedergebrannt haben«, dachte Collier laut nach. »Immerhin wurden sie ja zu richtigen Feuerteufeln, als sie zu gewinnen anfingen.«
»Das kann Jiff Ihnen sagen«, gab Dominique zurück.
Wieder trat jener gequälte Ausdruck in Jiffs Züge. »Ach, hör auf, Dominique. Ich bemüh’ mich echt, Mr. Collier nix von dem grusligen Quatsch zu erzählen.«
»Ich wusste es«, stieß Collier hervor. »Geistergeschichten.«
»Die Geschichte geht so«, begann die Frau. »Als der Befehlshaber der Union eine Truppe seiner Männer zum Haus der Gasts schickte, endete es damit,
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