Haus der bösen Lust (German Edition)
dass er sie ins Militärgefängnis stecken musste.«
»Ins Militärgefängnis? Wieso?«
»Weil sie sich weigerten, ihre Befehle auszuführen.«
»Sie meinen, Sie weigerten sich, das Haus in Brand zu stecken?«
Dominique nickte mit einem verschmitzten Grinsen. »Sie meinten, sie hätten Angst davor, es zu betreten, und behaupteten, dort gäbe es etwas Böses.«
Wie zu erwarten, runzelte Jiff die Stirn, doch Collier zeigte sich wenig beeindruckt. »Das ist alles?«
»Nein. Es wurde ein zweiter Trupp hinauf zum Haus geschickt, und ...« Der Blick ihrer strahlenden Augen heftete sich auf Jiff. »Erzähl du Mr. Collier, was passiert ist, Jiff.«
»Scheiße«, stieß Jiff leise hervor. »Der zweite Trupp is’ nie zurückgekommen, also is’ der Befehlshaber der Yankees selbst hinauf. Da hat er gesehen, dass sich die ganze Gruppe erhängt gehabt hat.«
»An demselben Baum, an dem sich Harwood Gast anderthalb Jahre davor erhängt hatte. Den Baum gibt es noch immer, Jiff, stimmt’s? Es ist diese riesige Eiche neben dem Brunnen.«
»Ja, aber das is’ alles nur ’n großer Korb voll Pferdemist, Mr. Collier.«
Collier kicherte. »Ich muss schon sagen, Jiff, es ist eine faszinierende Geschichte, aber ... ich glaube kein Wort davon. Sie können sich also entspannen.«
»Na Gott sei Dank ...«
»Regionale Folklore hat mich schon immer interessiert, aber unterm Strich«, verriet Collier und legte eine Pause ein, um dramatische Wirkung zu erzielen, »glaube ich nicht an Geister.«
»Trotzdem hat Jiff recht«, sagte Dominique. »Hier in der Gegend gibt es eine Menge Gespenstergeschichten. Das ist typisch für jede Bürgerkriegsortschaft. Komisch ist nur, dass unsere Geschichten ein bisschen härter als die meisten sind.«
»Härter?«, hakte Collier nach.
Jiff ergriff wieder das Wort. »Also, ich find’s echt interessant, dass es dieses Bier schon seit ’m Krieg gibt. Ich hab nich’ mal gewusst, dass man damals überhaupt schon Bier gekannt hat.«
Collier wusste, dass Jiff lediglich verzweifelt versuchte, das Thema zu wechseln. Aber warum beunruhigen ihn alberne Schauermärchen so sehr? Ein weiteres Klischee des Südens? Waren die Menschen im Süden tatsächlich abergläubischer als woanders? Collier bezweifelte das. Jedenfalls konnte der Besserwisser in ihm nicht widerstehen, etwas auf Jiffs letzte Bemerkung zu erwidern. »Tatsächlich, Jiff, gibt es Bier bereits seit mindestens achttausend Jahren, und bei frühen Zivilisationen war es der wichtigste Kohlehydratlieferant. Bevor die Menschen herausfanden, dass man aus Getreide Brot herstellen kann, machte man Bier daraus.«
Dominique fügte weitere Einzelheiten hinzu. »Frühe Nomaden stellten fest, dass man gemahlenes Getreide wie Gerste, Weizen und Hirse kochen und als Brei essen konnte. Nur wenn sie den versehentlich herumstehen ließen oder wenn der Regen ihre Getreidevorräte durchtränkte, kam es zur Fermentierung, und man hatte Ale. Das hatte denselben Nährwert wie Brot, verdarb aber wegen des Alkoholgehalts nicht so schnell. Und vergessen wir nicht einen weiteren Umstand: Von Brot wird man nicht beschwipst.«
Die nächste halbe Stunde plauderten Collier und Dominique weiter über Bier. Als er sie zu einem weiteren einladen wollte, lehnte sie mit einer Begründung ab, die er als merkwürdig empfand. »Nein, danke. Ich trinke nie mehr als ein Bier am Tag.«
Collier fand das erstaunlich. »Aber Sie sind Brauerin, um Himmels willen.«
»Na ja, eigentlich gerade deshalb«, erwiderte sie völlig ungezwungen. »Ich bin Christin. Ich gestatte mir nicht, betrunken zu werden. Sie wissen schon, der Körper ist ein Tempel des Herrn.«
Jäh kehrte Colliers Blick zu dem Kreuz um ihren Hals zurück. Was für eine seltsame Aussage ... Er rang um eine Erwiderung, die nicht gestelzt klang. »Na ja, Jesus hat doch auch Wein getrunken, oder?«
Weiße Zähne blitzten auf, als sie grinste. »Ja, aber er wurde nicht sturzbetrunken und schwang sich johlend an Kronleuchtern hin und her.«
Collier musste lachen.
»Und etwas in der Art passiert, wenn ich zu viel trinke«, fuhr sie fort. »Deshalb beschränke ich mich auf ein Bier. Ich finde, das Mindeste, was ich tun kann, ist, Gott nicht zu beleidigen, indem ich stockbesoffen werde.«
Collier faszinierte das Zusammenspiel ihres lockeren Umgangstons mit sachlichem religiösem Empfinden. »Meine persönliche Regel lautet, nicht mehr als drei pro Tag zu trinken; es macht keinen Spaß, über Bier zu schreiben, wenn man
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