Haus der bösen Lust (German Edition)
schien, wenn er nicht auf den Teller schaute. Als sie sich entschuldigte, um die Toilette aufzusuchen, strich sein Blick gründlich wie eine Malerwalze über ihre Rückseite. Er bestellte bei der Kellnerin ein weiteres Bier und ließ sie die andere Flasche mitnehmen, nachdem er sie geleert hatte. Dann trank er die neue Flasche bis zum Füllstand der vorherigen aus. Ja genau, das merkt sie bestimmt nicht ...
Als er Dominique zurückkommen sah, grub er die Fingernägel heftig in sein Bein. Starr nicht mehr auf ihren Busen, du sexistischer Scheißhaufen! Stattdessen spürte er nunmehr regelrecht, wie ihre Brüste in dem eng anliegenden Oberteil leicht wogten.
»Worüber haben wir gerade gesprochen?«, fragte sie. »Ach ja. Pakte mit dem Teufel.«
Die Vorstellung schien die Macht der Legende irgendwie zu schmälern. Konnte es wirklich so banal sein? »Also reden wir von Satanismus. Ist der Mythos um Gast nur eine ausgeschmückte Version davon?«
»Wahrscheinlich. Ich schätze, es liegt in unserer Natur – als höchstentwickeltes Lebewesen –, dass wir uns Geschichten ausdenken. Religionskritiker behaupten dasselbe über das Christentum – dass es nur eine Legende von Höhlenmenschen sei. Der Erlöser kommt, befreit die guten Menschen aus ihrem jämmerlichen Dasein und führt sie ins Paradies.«
»Ein triftiges Argument für Menschen, die Religion objektiv betrachten.«
»Natürlich. Aber Sehen ist Glauben. Allerdings bekommen solche Kritiker nie die Gelegenheit, wirklich zu sehen, weil sie an nichts fest genug glauben, um darum zu bitten, dass ihnen etwas gezeigt wird. Sie glauben an Beton, an Stahl, an Ford und an Mercedes. Sie glauben an Starbucks, an Blockbuster, an den Super Bowl und an Reality-TV. Brad Pitt und Angelina Jolie sind alles, was sie an Erlösern brauchen. Und natürlich ihre Gehaltsschecks. All die Scheiße in ihrem Leben verhindert, dass sie etwas Unvergängliches sehen können.«
»Also sind Geld und Mode der neue Gott?«
»Das neue goldene Kalb«, berichtigte sie ihn. Als sie unter dem Tisch die Knöchel übereinanderschlug, berührten ihre Zehen sein Bein. »Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht treten.«
Baby, du kannst mich jederzeit treten ... und ich würde drauf stehen ... »Um auf Ihre Höhlenmenschenanalogie zurückzukommen: Objektiv gesehen schaffen wir uns also Geistergeschichten, weil sie uns schon immer neugierig gemacht haben ...«
»Nicht bloß neugierig. Wir brauchen sie«, entgegnete Dominique. Ein Tintenfischtentakel verschwand zwischen ihren Lippen in ihrem Mund. »Höhlenmenschen wollten daran glauben, dass es Geister gab, weil die Vorstellung uralte Mythen vom Leben nach dem Tod untermauerte.«
Collier runzelte die Stirn.
»Geister sind nicht nur ein Beweis für ein Leben nach dem Tod, sondern auch der Beweis für eine Unterwelt – oder Hölle. Wenn ein Höhlenmensch wirklich daran glaubt, dass Geister durch die Wälder spuken, was können sie anderes sein als unerlöste Seelen? Und wenn es unerlöste Seelen gibt, dann muss es zweifellos auch erlöste Seelen geben. Hält man sich an die Gesetze, fährt man in den Himmel auf. Tut man es nicht, endet man als Geist, der nachts durch die Wälder streift.«
Collier versuchte, weitere Anmerkungen anzubringen, ohne einen gegnerischen Standpunkt einzunehmen. »Und ... aus nicht objektiver Sicht?«
»Darüber mache ich mir keine Gedanken, weil ich die Realität Gottes jeden Tag sehe.«
»Wie genau sieht die aus?«
»Mann muss Gott bitten, sehen zu können, Justin«, rief sie förmlich. »Es ist etwas Persönliches. Zwischen Gott und jedem Einzelnen. Wenn ich noch mehr dazu sage, höre ich mich bloß wieder wie eine religiöse Fanatikerin an. Ich muss nicht erklären, warum ich glaube, dass Christus mein Erlöser ist ...«
»Nein, nein, darauf wollte ich gar nicht hinaus«, sagte Collier rasch. »Ich verstehe, dass es etwas Persönliches ist.« Mittlerweile fürchtete er, dass die Unterhaltung in eine zu heikle Richtung ging. Wenn er behauptete, selbst ernsthaft christlichen Idealen zu folgen, würde Dominique seine Falschheit wittern. »Ich glaube an die Zehn Gebote, die Bergpredigt und all das. Mein Problem besteht darin, mich daran zu halten. Womit wir wieder bei dem wären, worüber wir vorher gesprochen haben – Schwäche.«
Sie sah ihn nur an und nickte. »Menschen sind nicht stark – nicht, seit Eva in den Apfel gebissen hat. Deshalb bietet uns Gott einen Ausweg. Den finden wir entweder, oder wir tun es
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