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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Victor Townsends war erschreckend gewesen, ja, aber dieses andere...
    Etwas Böses... Übelwollendes...
    Die Uhr auf dem Kaminsims tickte leise. Die Wärme des Gasfeuers stieg auf und umfing mich. Mein Körper entspannte sich. Meine Gedanken begannen zu treiben.
    Woher hatte ich gewußt, daß es Victor Townsend war? Der da an meinem Bett gestanden hatte, war kein fünfzehnjähriger Junge gewesen, sondern ein erwachsener Mann.
    Dennoch hatte ich ihn instinktiv als Victor erkannt. Konnte es wirklich sein, daß einfach meine Nerven überreizt waren, wie Großmutter am Nachmittag gemeint hatte? Produzierte meine Phantasie einfach unterschiedliche Bilder meines eigenen Großvaters, wie er vielleicht in seiner Jugend gewesen war?
    Aber wir war dann zu erklären, daß der Junge am Fenster genauso ausgesehen hatte wie der auf der alten Fotografie, daß selbst die Kleider die gleichen gewesen waren? Und wieso hatte ich eben in meinem Zimmer sofort gewußt, daß der Mann an meinem Bett Victor war?
    Irgendwo in den unbewußten Bereichen meines Geistes lag die Antwort; ich spürte, wie sie sich neckend regte, um entdeckt zu werden, aber ich war zu erschöpft, um ihr nachzuforschen. Ich war zu schwach zum Nachdenken. Es schien etwas mit dem Geist dieses Hauses zu tun zu haben. Mit der beunruhigenden Wirkung, die es auf mich hatte. Und mir schien, daß Victors Erscheinen ein Zeichen gewesen war, eine Botschaft, vielleicht eine Warnung. Aber wovor?
    Großmutter stand plötzlich an meiner Seite. Ich fuhr in die Höhe.
    »Diese Kälte hier tut dir nicht gut«, sagte sie und reichte mir ein Glas. »Ich weiß noch, im Krieg die Amerikaner, die haben sie auch nicht vertragen. Nicht einmal dein Vater, obwohl der aus Kanada kam, konnte sich daran gewöhnen. Es ist eine andere Art von Kälte, verstehst du, sie geht einem durch und durch. Das halten nur wir Engländer aus. Hier, Kind, trink. Heißer Kirschlikör.“
    Ich nahm das Glas und trank unter ihrem mütterlich besorgten Blick. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß ich gehorsam meine Medizin nahm, machte sie sich daran, das Sofa für mich zu richten. Sie nahm die Kissen weg, holte Decken aus der Kommode und legte mir ein Sofakissen als Kopfkissen hin. Während ich ihr zusah, trank ich den warmen Likör und kehrte in Gedanken zu den Geschehnissen der Nacht zurück.
    Die Angst war verflogen, aber eine starke Neugier war geblieben. Ich musterte aufmerksam die Wände und die Möbelstücke in diesem überladenen Zimmer und dachte, vielleicht war es schon so, als er hier lebte.
    Dann dachte ich wieder an das schwermütige junge Gesicht Jennifers, das mich am Abend zuvor so bewegt hatte. Das Gesicht meiner Urgroßmutter. Was hatte sie erlebt? Hatte sie auch Victor keine Träne nachgeweint, als er verschwunden war? War sie vielleicht sogar froh gewesen, seiner ledig zu sein? Ich beobachtete meine Großmutter, die mit gichtigen Händen die Decken auf dem Sofa zurechtzog, und sagte mir, daß sie weit mehr über die Townsends wissen mußte, als sie mir bisher erzählt hatte. Sie schien es zu scheuen, über die Familie ihres Mannes zu sprechen. Aber warum? Sie hatte ihren Schwiegervater nie gekannt, hatte nur von anderen von seinen Sünden gehört (und was waren das überhaupt für Sünden, fragte ich mich, jetzt beinahe erheitert. Hatte er gespielt? Getrunken? Im Beisein von Damen geflucht? Die spießigen viktorianischen Moralvorstellungen verletzt? So schlimm konnte er doch gar nicht gewesen sein!). Großmutter hatte ihn nicht persönlich gekannt, aber sie mußte eine Menge von meinem Großvater gehört haben. Und ich wollte alles erfahren, was sie wußte.
    »So! Ist das nicht gemütlich, Kind? Wir lassen das Gasfeuer an, dann frierst du bestimmt nicht. Nun kriech unter die Decken, damit du schnell wieder warm wirst.«
    Jetzt war nicht der geeignete Moment, Großmutter auszufragen. Wir waren beide todmüde. Morgen vielleicht, bei Tageslicht, würde ich nach der Familie Townsend fragen und nicht lockerlassen, bis ich die ganze Geschichte dieses Hauses kannte. »Soll ich dir das Licht anlassen?« fragte sie, schon an der Tür. Sie sah in diesem Moment uralt aus und strahlte dennoch eine Schönheit aus, die mich ergriff.
    »Ja, bitte«, antwortete ich. »Ich mach es dann später aus.«
    Sie zog die Tür hinter sich zu, und gleich darauf hörte ich sie die Treppe hinaufhumpeln. Nach einer langen Weile waren das Schlurfen ihrer Füße und das Klopfen ihres Stocks in der ersten Etage zu hören,

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