Haus der Lügen - 8
werden. Das weiß ein Inquisitor doch besser als jeder andere! Wären sie bereit gewesen, mich der peinlichen Befragung zu unterziehen, dann hätten sie mir alles abgerungen. Aber das haben diese Feiglinge ja nicht gewagt!
Die weltlichen Autoritäten waren deutlich eher bereit gewesen, auch ... härtere Techniken anzuwenden. Ja, Waimyn war ernstlich schockiert darüber, mit welcher Bereitschaft einfache Soldaten ihn mit ihren groben, gottlosen Händen gepackt hatten. Anscheinend war Hahskans, dieser Verräter, bei Gahrvais Truppen noch beliebter gewesen als bei der einfachen Bevölkerung von Manchyr. Als die Soldaten erfuhren, dass Waimyn den Befehl erteilt hatte, den Priester entführen und hinrichten zu lassen, hatte der blanke Hass in ihren Augen gelodert. Das hatte den Intendanten zutiefst entsetzt – und mehr noch die Fausthiebe und Fußtritte, die er anschließend über sich hatte ergehen lassen müssen. Man hatte ihn übel zusammengeschlagen; halbnackt und blutüberströmt hatte er auf dem Boden gelegen, kaum noch bei Bewusstsein, ehe ein Captain, zwei Lieutenants und vier lautstark herumbrüllende Sergeants ihn retteten. Auch hier im Gefängnis war es ein- oder zweimal vorgekommen, dass ein Wärter ihn hatte stolpern lassen. Zwei von ihnen hatten Waimyn sogar mit methodischer Grausamkeit übel verprügelt. Sie waren aber so geschickt gewesen, dass für einen nichts ahnenden Beobachter keinerlei Prellungen zu erkennen gewesen waren.
Zunächst hatte Waimyn geglaubt, die Soldaten, die ihn damals zusammengeschlagen hatten, hätten das auf direkte Anweisung ihrer Vorgesetzten hin getan. Er hatte gedacht, dass sei das wahre Antlitz der ›Kirche von Charis‹, die doch öffentlich die Methoden der Inquisition zurückwies. Doch nach und nach begriff Waimyn, dass er sich getäuscht hatte. Die Angriffe gegen ihn waren zu unkoordiniert und ineffizient gewesen – gemessen an dem, was ein Inquisitor, der diesen Titel wahrhaft verdiente, bewerkstelligt hätte, auch bevor ein Gefangener offiziell der peinlichen Befragung unterzogen worden wäre. Während seines eigenen Noviziats war Waimyn selbst mindestens ein Dutzend Mal bei dergleichen zum Einsatz gekommen.
Darüber hinaus waren mindestens drei der Wärter, die für seine ›Sonderbehandlung‹ verantwortlich gewesen waren, durch ihre Vorgesetzten hart diszipliniert worden. Danach hatte man ihn auch weiterhin schikaniert, aber die, die man bestraft hatte, beteiligten sich nicht mehr daran.
Dass die Ketzer sich an das hielten, was sie sagten, hatte Waimyn mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einerseits verachtete er sie für ihre Weigerung, ihn effektiv zu verhören. Andererseits war da etwas, das ihn immer noch schockierte und verwirrte: Diese Soldaten hatten eigenmächtig gehandelt. Sie waren so wütend über Hahskans Tod, dass sie allen Ernstes ihren ausdrücklichen Befehlen zuwiderhandelten und einen geweihten Priester verprügelten und misshandelten.
Und schlimmer, viel schlimmer noch, war die niederschmetternde Erkenntnis, dass die Soldaten in ihrer Wut ganz und gar nicht allein dastanden.
Trotz aller Vorwürfe gegen Waimyn hatte man ihm gestattet, Kontakt mit dem Klerus zu halten. Sicher war das aus kalter Berechnung geschehen. Dennoch war Waimyn dafür sehr dankbar. Man hatte ihm sogar gestattet, mit einem echten Priester zu sprechen – einem von Gottes tatsächlichen Dienern, der die Integrität, den moralischen und spirituellen Mut aufgebracht hatte, ein offen gottergebener Tempelgetreuer zu sein. Nein, die Ketzer hatten Waimyn nicht die Gelegenheit gegeben, ihren eigenen falschen, gottlosen Klerus zurückzuweisen. Man hatte ihm auch gestattet, zur Beichte zu gehen. Aber als verurteilter Mörder war es ihm nicht gestattet, Gespräche unter vier Augen zu führen, nicht einmal mit seinem Beichtvater. Ein Priester der ›Kirche von Charis‹ war stets anwesend. Dieser hatte natürlich geschworen, das Beichtgeheimnis zu wahren. Waimyn glaubte nicht einen einzigen Moment lang daran. Daher hatte er nicht die Möglichkeit besessen, mit Hilfe seines Beichtvaters Nachrichten aus dem Gefängnis herauszuschmuggeln. Allerdings gab es nach Gahrvais erfolgreichem Schlag gegen Waimyns Organisation sowieso keinen Adressaten für eine solche Nachricht mehr.
Sein Beichtvater besuchte Waimyn dreimal je Fünftag in seiner Zelle. Auf diese Weise erfuhr Waimyn, was sich jenseits der Gefängnismauern abspielte. Die Berichte seines Beichtvaters aber, der erst geschwiegen
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