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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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der offenen Pforte herauszureißen. Die Kugel krachte gegen den Schlitten des Geschützes. Sie kam wohl ein wenig schräg ein, denn sie traf die Unterseite des Zwölfpfünder-Rohrs. Umwirbelt von einer Wolke aus Lafettensplittern und geborstenen Ringbolzen wurde das anderthalb Tonnen schwere Bronzegeschütz emporgerissen. Es sah aus, als richte sich ein Todeswal auf. Die Hälfte der achtköpfigen Bedienmannschaft fand augenblicklich den Tod, als die riesige Kanonenkugel sie in Stücke riss. Zwei der vier Überlebenden wurden zerschmettert, als das Rohr ihres eigenen Geschützes auf sie herniederkrachte.
    Irgendetwas – vielleicht ein Splitter, vielleicht ein Stück Ringbolzen – zischte an Raisahndos rechtem Ohr vorbei, dicht genug, dass ihm der Kopf dröhnte, als hätte jemand ihn gerade geohrfeigt ... und zwar kräftig.
    Einen oder zwei Zoll weiter links, und ich hätte mir nie wieder über irgendetwas Sorgen machen müssen , dachte er. Sofort verdrängte er diesen Gedanken wieder, während er nachdenklich das Blutbad betrachtete, das dieser einzelne Treffer angerichtet hatte.
    Das war wahrscheinlich eine dieser verdammten ›Karronaden‹ , ging es ihm grimmig durch den Kopf. Wenigstens wussten sie schon, wie die Charisianer die kürzeren, gedrungenen Geschütze nannten . Aber das half natürlich auch nicht viel. Schließlich hatte der Tempel verfügt, sämtliche Galeonen im Dienste von Mutter Kirche seien ausschließlich mit Langrohrgeschützen auszustatten.
    In mancherlei Hinsicht verstand Raisahndo sehr gut, welche Logik hinter Vikar Allayns Entscheidung lag. Die Karronaden hatten ganz offenkundig eine deutlich geringere Reichweite als ein Langrohrgeschütz. Die Möglichkeit, den Gegner zu treffen (und die gegnerische Besatzung zu töten), bevor er in Reichweite gelangte und sich revanchierte, hatte wirklich etwas für sich. Nur hatte diese Logik auch den einen oder anderen Fehler.
    Erstens stimmte, was Graf Thirsk sagte: Dohlars und Charis’ Besatzungen unterschieden sich in ihrem seemännischen Können deutlich. Raisahndo musste sich eingestehen (ungern, aber was half’s!), dass ein charisianischer Admiral deutlich bessere Chancen hatte, die Kampfentfernung zu erreichen, die ihm vorschwebte, als ein dohlaranischer Admiral das zu verhindern vermochte. Doch selbst wenn man das außer Acht ließ, schien Vikar Allayn immer noch konventionelle Entermanöver im Sinn zu haben – so unlogisch es auch sein mochte, das mit dieser größeren Geschützreichweite zu verknüpfen, auf der er so hartnäckig bestand. Der Vikar schien deutlich eher daran interessiert, möglichst viele leichtere Geschütze an Bord zu wissen, um damit das Deck des gegnerischen Schiffes bestreichen zu können, bevor man längsseits ging und den Feind enterte. Besser hätte er sich mit weniger Geschützen zufrieden gegeben, die dafür aber schwerer wären und damit in der Lage, auch über größere Entfernung die Planken des feindlichen Schiffes zu zerschmettern. Die Besatzung des gegnerischen Schiffes zu töten war ja nach Raisahndos Meinung schön und gut. Aber Entermanöver waren mittlerweile deutlich weniger bedeutsam geworden als Artillerie-Duelle. Bei einem Artillerie-Duell sah es nun einmal so aus: Wenn die Schützen des Gegners durch ein schwereres Schanzkleid geschützt waren, das sich mit der eigenen Artillerie nicht durchdringen ließ, war besagter Gegner deutlich eher in der Lage, einem die Mannschaft zu nehmen, als umgekehrt.
    Ach, jetzt hör schon auf zu jammern, Caitahno! , schalt er sich selbst. Du hast immer noch mehr Geschütze als die Gegenseite und auch mehr Schiffe. Es wird Zeit, dass du dich darauf konzentrierst, was du ihnen antun willst, statt darüber nachzudenken, was sie dir antun können.
    »Lass abfallen einen Viertelstrich!«, schrie er dem Rudergänger zu.
    Captain Zhon Pawal betrachtete den Mast der vordersten dohlaranischen Galeone, als diese kaum merklich den Kurs änderte. Pawal hätte nur zu gern angenommen, der Gegner habe genug. Bedauerlicherweise ...
    Er verschafft sich nur ein wenig mehr Abstand, bis seine Kameraden da sind , dachte Pawal schroff. Das ist nicht ganz das, was ich erwartet hatte. Eigentlich sollten die flüchten, so gut das eben geht, oder sich im Rudel auf uns stürzen – so wie vor der Felsnadel und im Darcos-Sund.
    Unruhig ging Pawal an Deck auf und ab, hörte die ganze Zeit über den Rückstoß der Karronaden. Der Abstand betrug jetzt gerade noch zweihundert Schritt. Demnach befand

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