Haus der Lügen - 8
sich der Gegner mitten in der effektiven Reichweite der Siebenundfünfzigpfünder. Zähnefletschend dachte der Captain darüber nach, was derart massige Kanonenkugeln beim Auftreffen im Ziel anrichten mussten.
Doch das wilde Grinsen schwand, als der Feind unvermindert zurückfeuerte. Die Schützen dort drüben zielten nicht sonderlich präzise, aber sie waren verdammt hartnäckig. Es war das erste Mal, das Pawal erlebte, wie eine ganze Breitseite auf ihn abgefeuert wurde. Er war ehrlich erstaunt, wie gut sich die Dohlaraner im Gefecht hielten. Nach den Schlachten vor der Felsnadel und im Darcos-Sund hatte das unablässige Feuer der Charisianer die Moral der Besatzungen eines gegnerischen Schiffes nach dem anderen zusammenbrechen lassen. Doch offenkundig funktionierte das nicht mehr.
Zumindest nicht über diese Entfernung hinweg , sagte er sich selbst und blickte achteraus, wo Harys Aiwains Shield rasch aufschloss. Bei all dem Rauch konnte er die Segel der Squall nicht mehr erkennen. Doch irgendwo hinter der Shield musste sie ja sein. Das hoffte Pawal zumindest. Unvermindert feuerten die beiden vordersten Dohlaraner weiter auf die Dart . Die dritte und vierte Galeone aber schoss bereits auf die Shield . Aiwain allerdings erwiderte das Feuer nicht. Er wollte sich seine erste Breitseite offensichtlich aufheben, bis er so nah an den Gegner herangekommen wäre, wie ihm das vorschwebte ... vorausgesetzt, er erreichte sein Ziel überhaupt jemals.
»Bringen Sie sie einen Strich Steuerbord!«, fauchte Captain Pawal.
Captain Stywyrt betrachtete die Mars der Dart , die aus den wallenden Rauchwolken herausragte, als das Schiff ein wenig weiter nach Norden drehte. Jetzt stand sie fast genau vor dem Wind. Pawal hatte den Kurs offensichtlich geändert, um dem Feind die Möglichkeit zu nehmen, weiterhin Abstand zu halten. Das konnte Stywyrt nur gutheißen, auch wenn er wünschte, sein Kollege hätte damit noch ein wenig länger gewartet. Dann hätte die Squall etwas näher aufkommen können, bevor er das Manöver einleitete.
Stetig blieb die Shield im schäumenden Kielwasser ihres Geleitschiffs. Durch sein Fernrohr konnte Stywyrt das Schiff Captain Aiwains nach wie vor deutlich erkennen. Also sah er auch, wie die weißen Schaumkronen auf den Wellen plötzlich aufstoben wie Fontänen, als die Dohlaraner das Feuer auf die Shield eröffneten. So wie die kleinen Fontänen verteilt waren, schienen die feindlichen Geschützführer nicht gerade übermäßig mit Präzision gesegnet zu sein. Aber es gab ganz offenkundig jede Menge von ihnen.
Noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, entstand plötzlich ein Loch im Großbramsegel der Shield . Aiwain war jetzt von der nächsten dohlaranischen Galeone kaum noch zweihundert Schritt weit entfernt, und Stywyrt fragte sich, wie lange der Captain noch warten wollte, bis er das Feuer erwiderte.
Harys Aiwain blickte auf, als die Kanonenkugel das Großbramsegel der Shield durchschlug. Es klang, als hätte ein Riese mit bloßer Faust zugeschlagen. Zuvor hatte das Schiff schon mindestens drei weitere Treffer abbekommen, aber Verlustmeldungen gab es bislang noch nicht. Die Shield war kürzer und gedrungener als die Dart . Sie war ein Schwesterschiff von HMS Dreadnought , der allerersten Galeone, die überhaupt von Grund auf als Kriegsschiff konstruiert worden war. Sie verfügte über die gleiche Anzahl Geschütze wie die Dart , allerdings war ihr Batteriedeck ein wenig beengter als das des später gebauten, etwas geräumigeren Schiffes. Bei ihren Karronaden handelte es sich nur um Dreißigpfünder, und unter den meisten Wetterbedingungen war sie fast immer ein wenig langsamer. Aber ihre Planken und Spanten waren robuster als die eines jeden umgebauten Handelsschiffs. Mit den Treffern, die die Dohlaraner bislang gelandet hatten, kam sie daher gut zurecht.
Sieht ganz so aus, als hätte Commodore Seamount Recht, und ihr Pulver ist wirklich schwächer als unseres , dachte Aiwain. Natürlich schadet es überhaupt nichts, dass ihre Geschütze auch leichter sind.
Er wusste, dass zumindest einige der dohlaranischen Geschütze tatsächlich leichter waren: Er brauchte nur durch die Finknetze hindurch zu spähen, die entlang der Reling aufgespannt waren. Dann nämlich hatte er freien Blick auf die Zwölf-Pfund-Kugel, die sich genau neben Geschützpforte siebenundzwanzig halb in die Wandung gebohrt hatte und nun immer noch dort steckte. Aiwain bezweifelte, dass eine seiner eigenen
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