Haus der roten Dämonen
wird. Contrario weiß das.«
Langsam verflochten sich die Einzelteile zu einem Ganzen. Hatte Contrario-Buntfinger womöglich auch deshalb die astronomische Uhr angehalten? An der Uhr vermochte jeder Gebildete den Sonnen- und Mondstand abzulesen.
»Auf zur astronomischen Uhr! Auch auf die Gefahr hin, unser Leben zu verlieren!«, rief Meister Gremlin.
Die Tür der Kammer ging plötzlich von selber auf. Julia blieb auf ihrem Bett sitzen und wartete, was geschehen würde. Doch niemand zeigte sich und nichts geschah. Endlich wurde ihre Neugier übermächtig. Sie stand auf und lief zur Tür. Zumindest hinausspähen wollte sie. Sie lugte durch den Spalt, konnte jedoch nicht erkennen, ob sich etwas oder jemand in dem Vorraum draußen befand. Schließlich steckte sie den Kopf hindurch. Tatsächlich befand sich niemand draußen.
Wer um alles in der Welt hatte die Tür geöffnet? Bei dem Gedanken, die Person könnte unsichtbar sein, stellten sich ihre Nackenhärchen auf. Dies würde bedeuten, dass jene Person womöglich die ganze Zeit in ihrem Zimmer anwesend gewesen war und sie beim Waschen beobachtet hatte …
Julia fühlte, wie sie sich auf die Lippen biss und im Gesicht rot anlief. Gleichzeitig spukte Jan in ihrem Kopf herum. Wie gerne hätte sie ihn bei sich gehabt. Es hätte ihr auch nichts ausgemacht, wenn er sie beim Waschen beobachtet hätte … Julia musste sich zwingen, sich nicht ihren Tagträumen zu überlassen. Das konnte sie sich für später aufheben.
Jetzt hieß es handeln – und wenn Jan nicht da war,
musste sie ohne ihn mit der Situation fertig werden. Bevor sie den Mut fasste, weiterzugehen, stellte sie sich noch einmal Jans Kuss vor. Das gab ihr Zuversicht.
Schließlich trat sie langsam und vorsichtig in den Vorraum hinaus. Für einen kurzen Moment ließ sie die Tür unbeobachtet und mit einem lauten Krachen schlug sie hinter ihr zu. Erschrocken drehte sich Julia um, wollte in die Kammer zurück – doch da war keine Tür mehr, nur noch eine kahle weiße Wand. Nur mit Mühe konnte Julia einen Schrei unterdrücken. Was war hier los?
Sie lief vorwärts. Irgendjemand hatte schließlich gewollt, dass sie aus ihrem Zimmer kam. Also musste er auch wollen, dass sie irgendwohin ging. Doch wohin?
Neben ihr befand sich eine weitere Tür mit Türgriff. Die hätte sie benutzen können, doch im Augenblick hatte sie genug davon, Räume zu betreten, die sie nicht kannte. Sie würde die Treppe hochgehen.
Mit schnellen Schritten erreichte sie ungehindert den Fuß der Treppe. Dass der Vorraum, durch den sie gekommen war, keine Haustür mehr enthielt, schien ihr nicht weiter verwunderlich. Niemand entführte einen Menschen, um ihn dann leichtsinnigerweise wieder laufen zu lassen.
Langsam, Stufe für Stufe, zog sie sich nach oben. Als sie auf einer der letzten Stufen stand, sah sie eine Staffelei, Pinseltöpfe, Farbpaletten und Pigmenttiegel. Doch im Atelier war offenbar keine Menschenseele. Hier also waren die Wesen entstanden, die Messer Arcimboldo in der Höhle versteckt gehalten hatte. Sie erkannte auch die Staffeleien mit dem Fischkopfporträt sowie das Regal, das sich als Leibwächter Messer Arcimboldos entpuppt hatte.
Julia hatte nur noch die letzte Stufe vor sich, als plötzlich alles stockte. Dieses Gefühl hatte sie schon beim ersten Betreten des Ateliers erlebt, doch diesmal kam sie keinen
Schritt mehr vorwärts. Ihr war, als würde sie gegen eine Wand laufen. Ihre Beine versagten, und ihr Oberkörper drückte sich in eine wattige Substanz, die völlig unsichtbar war, sie aber am Weitergehen hinderte. Offenbar schützte ein magischer Befehl das Atelier Messer Arcimboldos und hielt Unbefugte und Fremde fern.
Also hatte der Unbekannte, der sie aus ihrem Zimmer geholt hatte, vermutlich nicht gewollt, dass sie die Treppe hochstieg. Julia drehte auf dem Absatz um und lief die Stufen hinab. Jetzt blieb nur noch die eine Tür mit Klinke.
Als sie das Haus betreten hatte, waren da im Vorraum noch drei Türen gewesen. Davon war eine einzige übrig geblieben. Julia atmete durch, denn in diesem Haus schien alles mit Magie und Zauberei durchtränkt zu sein. Vorsichtig näherte sie sich der Tür und zögerte, als ihre Hand die Klinke berührte. Sollte sie sie wirklich öffnen? Wer wusste schon, was sie dahinter erwartete? Und wenn jemand etwas von ihr wollte, dann sollte er zu ihr kommen, nicht sie zu ihm. Schließlich war sie entführt worden.
Sie zögerte lange, kaute auf ihrer Unterlippe herum, als wollte
Weitere Kostenlose Bücher