Haus der roten Dämonen
trotz seines klopfenden Herzens und kein Tier, kein Mensch, nichts befand sich darin außer ihm selbst.
Verblüfft fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Er hatte doch sicher die Bewegung … Er war kein Träumer oder Fantast! Genau überprüfte er die Stelle, doch keine Falte im Laken zeugte davon, dass dort neben seinem Bein irgendetwas oder irgendwer gezogen, gezupft oder gezerrt haben konnte.
Langsam befürchtete er, in diesem Haus verrückt zu werden.
Wie kam er überhaupt hierher? Das Einzige, an das er sich noch erinnerte, war die Stimme Messer Arcimboldos, der ihn bedauert hatte … Ohnmächtig war er geworden und sein Meister hatte ihn hierher gebracht. So musste es gewesen sein, obwohl er sich nicht erinnern konnte, jemals in seinem Leben ohne Besinnung gewesen zu sein.
Jan schämte sich, als er spürte, dass er bis auf das Hemd nackt war. Selbst die Holzschuhe hatte man ihm ausgezogen und neben das Bett gestellt, wie ihm ein Blick nach unten verriet. Da Messer Arcimboldo außer Contrario niemanden beschäftigte, musste der Maler ihn wohl selbst ausgezogen haben.
Jan huschte aus dem Bett – und hörte unerwartet dieses Summen, als pfeife jemand vor sich hin, der es nie richtig gelernt hatte. Das war Contrario-Buntfinger, wie Jan sofort erkannte.
Er zog sich rasch die Hose über und schlüpfte in die Schuhe, nachdem er sich die Füße mit Leinenlappen umwickelt hatte. Noch im Aufspringen stopfte er sich das Hemd in die Hose und wollte zur Tür hinaus, doch seine Hand glitt wieder an der Wand ab, in die die Türfüllung eingelassen war. Sie war glatt. Keine Klinke, schoss es ihm durch
den Kopf! Er sah genauer hin und tatsächlich befand sich keine Klinke an der Tür.
»Willst du mich wohl rauslassen?«, knurrte Jan. Jetzt begann er schon, mit diesem Haus zu sprechen, als würde es tatsächlich leben. So ein Unsinn, dachte er nur.
Von hinter der Tür hörte er Contrario leise lachen und ein Geräusch, das er nur als Tänzeln bezeichnen konnte. Was war in den Adlatus gefahren, dass er sich so fröhlich gebärdete? Und wie hellhörig die Mauern waren … Das war ihm bislang noch gar nicht aufgefallen.
»Jetzt lass mich raus!«, fauchte Jan ungehalten, doch nichts geschah. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als sich wieder auf das Bett zu setzen. Er spähte umher und entdeckte ganz in der Ecke des Zimmers, dort wo er niemals eine Tür auch nur vermutet hätte, eine Türklinke. Wenn das mit dem lebenden Haus stimmte, dann würde er mal ein ernstes Wort mit ihm reden müssen. So ging es schließlich nicht, die Klinken über das gesamte Zimmer zu verteilen und an die unmöglichsten Stellen zu setzen.
Er erhob sich vorsichtig und ging langsam auf die Zimmerecke zu, immer mit dem Gedanken, dass dieses Haus auch seinen Schabernack mit ihm treiben konnte. Vorsichtig probierte er die Klinke aus – und sie ließ sich problemlos drücken. Eine Tür schwang ins Zimmer hinein und gab den Blick auf einen Abstellraum frei.
Jan zuckte mit den Schultern und wollte die Tür eben wieder schließen, als er bemerkte, dass er die Klinke nicht mehr loslassen konnte. Zuerst zerrte er noch daran, doch schien er mit ihr wie verwachsen zu sein. »Ich soll hineingehen? Willst du das?«, murmelte er, ganz davon überzeugt, dass diese Selbstgespräche nur dazu dienten, ihn zu beruhigen. »Aber nur auf deine Verantwortung«, murmelte er.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte er alle diese Spukgeschichten
über Untote oder Zwerge und Heinzelmänner in den Wind geschlagen. Christenmenschen gaben sich nicht mit Spuk ab. Doch seit er die Hand nicht mehr von der Klinke hatte lösen können, blieb ihm ja nichts anderes übrig. Dieses Haus lebte also tatsächlich – und es hatte ihn, ganz wörtlich genommen, im Griff.
Langsam betrat er den schmalen Raum. Dann ging alles sehr rasch. Die Klinke entglitt seiner Hand, er stolperte zwei Schritte vorwärts und hinter ihm schloss sich die Tür. Dunkelheit umfing ihn. Der Raum war gerade groß genug, um als erweiterter Abstellraum durchzugehen. Kaum dass er sich hier umdrehen konnte. »Und was jetzt?«, murmelte er verdrossen.
Da erschienen an der Stirnseite kleine Öffnungen in der Wand, Sehschlitze, gerade groß genug, um die Augen daran zu pressen. Neugierig trat Jan vor und blickte hindurch. Dahinter erkannte er dasselbe schmucklose Zimmer mit derselben einfallslosen Einrichtung. Nur stand in der Mitte ein Mann und malte an einem Bild: Contrario.
Halb schräg stand und saß der
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