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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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als Ärzte wahre Wunder und wieder andere hatten sich einen Namen als Waffenschmiede und Festungsbauer gemacht. Allen gemeinsam war ihr legendärer Ruf. Und Jan glaubte, eine Atmosphäre des Besonderen in dieser Gasse zwischen den Bauten vibrieren zu sehen, so wie man an heißen Sonnentagen die Luft flirren sah. So sehr unterschied sich das Goldene Gässchen vom Rest der Burg, dass er seinen Schritt verlangsamte, aus Furcht darüber, neben die Welt zu treten.
    Dessen ungeachtet war die Gasse menschenleer, als wären alle Bewohner ausgeflogen.
    »Wo mag dieser Meister Gremlin wohnen?«, murmelte Jan vor sich hin. Er hatte bei Messer Arcimboldo nicht nachgefragt und erkannte darin jetzt einen schweren Fehler.
Wenn er alle Häuser würde abklappern müssen, würde es Stunden dauern. Zeit, die er nicht hatte. Vor allem weil er wusste, dass einige der niedrigen Behausungen an der Mauer auch noch von den Burgschützen bewohnt waren, die entweder außerhalb ihrer Wache schliefen oder auf der Mauer Dienst taten und ihm daher auch nicht weiterhelfen konnten.
    »Meister Gremlin, Meister Gremlin …«, murmelte Jan und ging langsam die Gasse hinauf. Nirgends gab es Hinweise darauf, wer in welchem Haus wohnte. Alle Gebäude duckten sich gleichermaßen unter die Wehrüberdachung und schmiegten sich an die Mauer. Plötzlich schrie es aus ihm heraus: »Meister Gremlin! Meister Gremlin!« Es war vermutlich die einzige Möglichkeit, irgendwie Aufmerksamkeit zu erwecken. Er stellte sich mitten in die Gasse und brüllte noch einmal: »Meister Gremlin! Meister Gremlin!« Dann wartete er eine Weile und blickte die Gasse hinauf und hinunter. Doch alles blieb so, wie es war. Kein Laut regte sich, kein Mensch trat auf die Straße. Noch nicht einmal die windschiefen Balken der Häuschen knarrten.
    Jan wollte schon aufgeben und wahllos an eine der Türen klopfen, als sich der Türknauf jenes Häuschens vor ihm drehte. Er hatte die Form eines Tiers, dessen Schwanz aus dem Kopf wuchs. Die Pforte öffnete sich, doch niemand war zu sehen. »Bleib ja draußen!«, vernahm er eine Stimme. »Wenn du den Uralten suchst, der ist im Mihulka-Turm! Und jetzt verschwinde!«
    Bevor Jan etwas erwidern oder auch nur den Fuß auf die Türschwelle setzen konnte, schlug die Tür vor seiner Nase wieder zu. Am liebsten hätte er geschrien. Laut und durchdringend, denn er hatte weder eine Person gesehen, die die Tür geöffnet haben konnte, noch wusste er, woher die Stimme gekommen war. Er beherrschte sich, obwohl seine
Unterlippe unablässig zitterte. Im Goldenen Gässchen war das Merkwürdige normal.
    Der Mihulka-Turm ragte in den Hirschgraben hinein und lag außerhalb des Goldenen Gässchens. So viel wusste er. Bislang hatte er ihn jedoch nur von außen gesehen. Wie er von hier aus zu ihm gelangen konnte, wusste er nicht. Jan stampfte mit dem Fuß auf. Was als schlechter Tag begonnen hatte, setzte sich fort. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er das Arcanum splendidum womöglich nicht rechtzeitig erhalten würde.
    Jan spurtete los und rannte die Gasse entlang. Zweimal war er schon hier oben gewesen, im hintersten Winkel der Burg. Das erste Mal auf Anweisung Hajeks, der das Waisenhaus leitete. Gold sei dort zu holen, hatte er seinen Jungen eingebläut. Die Goldschmiede müssten bei offenem Fenster vor den Augen der Passanten arbeiten. Der giftigen Dämpfe wegen, aber auch, damit sie kontrollierbar waren und nicht heimlich Legierungen aus unedlen Metallen herstellten. Dort sollte es für schnelle Finger Arbeit geben, hatte ihnen Hajek mitgeteilt.
    Ihr Diebeszug endete im Chaos. Das Goldene Gässchen war leer gewesen. Keiner der Wissenden hatte sich sehen lassen und so manche Tür schloss sich vor ihnen und ließ sich auch beim härtesten Bemühen nicht mehr öffnen. An offenen Fenstern arbeitete keiner der Alchemisten. Jan hatte das schnell begriffen. Sie waren nämlich Goldmacher, keine Goldschmiede! Folglich hatte Hajeks Truppe wieder unverrichteter Dinge abziehen und über Wochen die miesepetrige Laune des Waisenhausleiters ertragen müssen.
    Die Häuser, an denen Jan jetzt vorüberkam, waren so bunt und unterschiedlich wie die Welt selbst: blau und grün, rot und gelb, mit hellen oder dunklen Türen, mit Gardinen in den Fenstern oder nur mit Löchern, die mit Brettern abgedeckt
waren. So klein waren diese Häuschen, dass man sich nicht vorstellen konnte, wie Menschen dahinter hausen und arbeiten konnten. Doch dann stutzte Jan. Der

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