Haus der roten Dämonen
Ihr?«, fragte er leise.
»Schon wieder eine Frage. Bist du gar nicht mehr an der Antwort auf deine ersten Fragen interessiert? Ach, diese Jugend. Alles, was jünger ist als hundertfünfzig Jahre, ist einfach zu rasch, zu unaufmerksam, zu … zu … zu jung eben.«
Er schüttelte sein schlohweißes Haupt.
»Entschuldigt«, murmelte Jan. »Aber was ist mir eben pas…?« Mitten im Satz ertappte er sich dabei, erneut eine Frage zu stellen, und brach ab.
Der Uralte nickte zufrieden, dann sah er zur Decke hoch, als befinde sich dort sein Gedächtnis – und begann zu reden.
»Du bist in eine Zeitblase getappt. Eine Art Falle für unliebsame Besucher im Goldenen Gässchen. Die allermeisten bemerken sie nicht, bis sie sich weiter in die Gasse hineinwagen. Erst dann fällt ihnen auf, dass sie sich nicht von der Stelle bewegen. Du musst es dir vorstellen wie eine Schaumblase, in die du hineingelangst, aber nicht wieder hinaus. Du bewegst dich in ihr, doch sie rollt nur immer auf der Stelle.«
»Eine Zeitblase?« Etwas Verrückteres hatte Jan noch niemals gehört. Er folgte dem Alchemisten in die Tiefe des Hauses hinein und durchquerte eine Bibliothek, deren Bände allesamt weiß gekalkt waren. Es roch nach Pulver, Salpeter, Schwefel und dem getrockneten Sammelsurium, das Alchemisten horteten. Bislang hatte er gedacht, die
Häuschen bestünden nur aus einem, höchstens zwei Räumen. Jetzt wurde er eines Besseren belehrt. Eine unscheinbare Treppe führte ein Stockwerk hinunter.
»Ja. Und es ist unmöglich, aus eigener Kraft daraus zu entkommen.« Der Uralte grinste schelmisch und schob Jan vor sich her die Treppe hinunter. »Wenn einem nicht geholfen wird. Genial, nicht?«
Jan versuchte zu nicken. »Ja, wunderbar …« Er räusperte sich. »Darf ich Euch etwas fragen? Seid Ihr … Meister Arcimboldo schickt mich … ich soll … Meister Gremlin, den Alchemisten …«
»Nein!«, schrie der Uralte plötzlich. »Nicht meinen Namen!« Doch es war bereits geschehen.
Kaum hatte Jan den Namen des Alchemisten ausgesprochen, da platzte vor dem Haus etwas mit lautem Klatschen. Dann fegte eine Pranke die Türfüllung mitsamt der Tür beiseite und der Gestank eines Raubtieratems drang in die Alchemistenküche und die Treppe hinunter.
»Jetzt haben wir wirklich Ärger!«, sagte der Uralte und packte Jans Handgelenk. Flink wie ein Wiesel sauste er, Jan hinter sich herziehend, durchs Haus. Jan war es, als reiche das Gebäude unter der Gasse hindurch und hinüber bis zum Burggrafenamt und womöglich weiter bis zum Pferdestall, quer durch den Hradschin, so lange rannte er hinter dem Mann her. Sicherlich war Magie im Spiel, ohne dass er diese so recht erkennen konnte.
»Seid Ihr’s oder seid Ihr’s nicht?«, fragte Jan drängend. Hatte der Alte nicht gesagt, er solle nicht viel, dafür aber konsequent fragen. Folglich bohrte er jetzt nach.
»Sei still, Kerl! Du hetzt uns noch das Unglück auf den Hals«, maulte der Uralte. »Der Dämon sieht Namen und orientiert sich daran. Hörst du? Also keine Namen!«
»Ihr braucht doch nur Ja oder Nein zu sagen.« Sticheln
konnte Jan auch, wie eben der Alchemist. Zwar vermutete Jan, dass er richtig lag, doch eine Bestätigung aus dem Munde des Uralten hätte ihm weitergeholfen.
»Mein Meister braucht das Arcanum splendidum . Er hat mir ein Schreiben mitgegeben, aber ich darf es nur Meister Gremlin aushändigen.«
Kaum hatte er den Namen erneut genannt, hörte er das Tier näher kommen. Es war ihm, als hätte es einen Satz auf sie zu gemacht. Regale stürzten um, Bücher zerrissen, Kolben und Töpfe zerschellten am Boden. In Jan machte sich Panik breit. Wenn das Tier näher kam, wohin sollten sie fliehen?
»Söhnchen, Söhnchen!«, mahnte der Alchemist. »Mein Name wirkt auf solche Viecher wie ein Magnet, weil ich vermutlich schon so lange in ihrem Gefilde der Magie wildere. Also halte einfach dein Mundwerk im Zaum, Jungchen!«
Sie waren in einer Art Küche angelangt, einem runden Raum, in dessen Mitte sich eine Feuerstelle befand, über der ein Schnabelgefäß stand, ein sogenannter Alambic, in dem es brodelte. Die Außenwand, eine runde Wand, die nur von einer schweren Eichentür durchbrochen wurde, wurde von einem einzigen Regal eingenommen. Auf ihm standen Tiegel und Töpfe, Gläser mit Flüssigkeiten, Holzkästen mit aufgespießten Insekten und Gestelle mit ausgestopften seltsamen Lebewesen. Das schönste Tier war eine bis auf den schwarz gesprenkelten Bart schneeweiße Eule, die auf
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