Haus der roten Dämonen
Arcimboldo sich Jan zu. »Hast du das Arcanum splendidum ?«
Jan nickte. Er streckte seinem Meister die beiden Gefäße hin, die dieser zufrieden entgegennahm. Eines stellte er in einem noch stehenden Regal ab, das andere hielt er in der Hand.
»Was war das für ein Wesen?«, fragte Jan. »Warum hat es mich angegriffen – und doch nicht richtig angegriffen?«
Messer Arcimboldo blickte den Jungen an, als wolle er ihm eine Wahrheit mitteilen, für die er noch nicht alt genug war. Dann gab er sich einen Ruck.
»Ich habe durchaus Feinde, wie du weißt.«
Jan nickte. »Wie Messer Mont! Diesen Dieb!«
»Ja«, bestätigte Arcimboldo und sah Jan überrascht an, sagte jedoch nichts auf die letzte Bemerkung, »wie diesen Messer Mont. Da habe ich mir einen Leibwächter geschaffen: meinen Liberum. Wenn er nicht benötigt wird, steht er in der Ecke wie ein normales Bücherregal, doch wenn ich belästigt werde, dann greift er ein. Meist genügt es, wenn sich aus den Büchern im Regal ein menschenähnliches Wesen zusammensetzt. Die Leute suchen dann ihr Heil in der Flucht!«
»Diesmal nicht?«, wagte Jan schüchtern einzuwerfen.
»Auch diesmal – aber etwas spät. Dieser Messer Mont mit seinen besonderen Freunden. Er wollte tatsächlich an mein Geheimnis …«
»Und es stehlen? Typisch«, bemerkte Jan trocken.
»Wie geht es meinem Freund, Meister Gremlin?«, erkundigte sich der Maler.
Jan schluckte. Die Erinnerung an Meister Gremlin packte ihn mit einer Gewalt, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Er schluckte schwer, dann musste er schluchzen. Tränen liefen aus seinen Augen.
»Was ist denn mit dir?«
»Meister Gremlin …«, stotterte Jan und versuchte, das Wasser zurückzuhalten, das aus seinen Augen strömte, »… er ist … tot.«
Beinahe wäre seinem Meister das Gefäß mit dem Arcanum splendidum aus der Hand gerutscht, so sehr traf ihn die Nachricht.
»Tot? Wie kann er … ich meine … er kann nicht sterben. Er ist uralt.« Mit großen Augen schaute der Maler ihn an. »Erzähl!« Messer Arcimboldo zog Jan in den Nebenraum. »Gehen wir hierher. Das dürfte … sicherer sein.«
Er schob Jan vor sich her. Jan bemerkte die plötzliche Nervosität. Messer Arcimboldo sah sich immer wieder um. Schließlich schloss er die Tür hinter sich. Als Jan sich zu ihm umdrehte, sah er in eine verzerrte Fratze.
»Was ist passiert?«, schrie ihn Arcimboldo an. Er hielt plötzlich eine Rute in der Hand und ließ sie durch die Luft zischen. Sie traf Jan am Oberschenkel.
»Herr!«, kreischte Jan. Er verstand die Welt nicht mehr. Hatte er den Maler nicht gerade eben aus dem Staffeleihaufen gerettet und jetzt wurde er von ihm geschlagen? Er wich in den hintersten Winkel des Raumes zurück und duckte sich. Als er den Meister mit vor Wut verzerrtem Gesicht auf sich zuhumpeln sah, legte er sich die Arme über den Kopf. »Was ist nur in Euch gefahren?«, schrie er verzweifelt in Erwartung des Schmerzes. »Ich habe Euch doch geholfen! Ich bin nicht am Tod Meister Gremlins schuld. Nicht schlagen! Bitte, nicht schlagen!«
Jan kauerte mit geschlossenen Augen in der Ecke und erwartete die ersten Hiebe, doch nichts geschah. Der Schmerz ließ auf sich warten. Endlich, nach einer kleinen Ewigkeit, in der ihn nicht einmal ein Geräusch berührte, wagte er es, den Blick zu heben.
Messer Arcimboldo saß auf seinem Malerstuhl, vornübergebeugt, als laste auf ihm der Schmerz der Welt. Er betrachtete den Schnitt in seinem Finger, den Jan verursacht hatte.
Sein Gesicht wirkte müde, als hätte er lange nicht geschlafen. Dunkle Ringe standen unter seinen Augen. Seinen linken Oberarm presste er noch immer gegen die Seite. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte der Maler und warf demonstrativ die Rute in die Ecke.
»Verzeih«, sagte Arcimboldo, »aber ich musste prüfen, ob du nicht eine Schöpfung Contrarios bist. Sie sind aggressiv. Ein Wesen aus seinem Pinsel wäre auf mich losgegangen.
Schließlich hast du mich … geschnitten«, sagte er und unterstrich seine Aussage mit einem Zucken der Schultern. »Jetzt hast du dich nicht einmal gewehrt. Das tun nur Menschen.«
Jan verstand nicht ganz, was Messer Arcimboldo ihm da erzählte, doch er wusste, er konnte sich erheben. Vorsichtig stand er auf.
»Ist Meister Gremlin wirklich tot?«, fragte Arcimboldo leise.
Jan nickte. »Draußen treibt ein Leu sein Unwesen. Er hat ihn …«
Überrascht sah Arcimboldo auf. »Ein … was?«
Bevor Jan antworten konnte, krachte die Tür gegen die
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