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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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Schlaf zog an ihm wie die Moldautreidler stromauf an ihren Kähnen. Doch es wäre unklug gewesen, sich zu trennen.
    »Ich komme mit!«, bestimmte er. »Wenn dich der Leu aufspürt, können wir beide sofort verschwinden und du musst nicht wieder zu mir zurück.«
    Jan sah Julia nicht, dachte aber für sich, dass sie jetzt lächeln musste. Er wünschte es sich so sehr. Nur langsam lösten sie sich voneinander. Lautlos krochen sie von den Brettern runter und stiegen die Mauer herab. Jan musste all seine Konzentration aufbieten, um nicht abzurutschen, doch es gelang ihm. Julia nahm ihn an der Hand und er überließ ihr die Führung. Sie zog den Willenlosen hinter sich her. Jan genügte es im Augenblick, ihre Hand zu halten.
    Der Leu über ihnen auf der Brücke wurde immer lauter. Mit langen Atemzügen sog er die Luft ein und kam näher. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann er sie entdecken würde. Dann Gnade ihnen Gott. Die zwanzig Fuß von der Brücke herab auf die Kampa-Insel unter der Karlsbrücke zu springen waren für das Getier sicher ein Kinderspiel. Jan hoffte, dass der starke Fischgestank dieser Gegend ihren Eigengeruch überdeckte.
    »Hier ist ein Boot«, sagte Julia.
    Jan starrte in die Finsternis, konnte jedoch nichts entdecken. Er hörte nur das Schwappen von Wasser, das sich an einem Gegenstand brach. Das konnte auch ein Bootshaus sein oder eine Mole.

    Julia zog ihn vorwärts, und er stolperte regelrecht in das Boot hinein, schlug die Ruder, die im Boot lagen, gegen die Bordwand und knallte im Schaukeln das Boot gegen die Steinmole. Hätte ihn das Mädchen nicht festgehalten, er wäre auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinausgefallen und für immer in der Moldau verschwunden. Er setzte sich auf eine feuchte Ruderbank und blieb sitzen. Warum war er nur so tollpatschig? Julia stieg noch nicht ein.
    »Ich muss das Seil vom Poller losknüpfen«, flüsterte Julia.
    Sein ungeschicktes Straucheln hatte so viel Lärm verursacht, dass der Leu auf sie aufmerksam geworden war. Jan hörte ein dunkles, grollendes Gurgeln, dann das Kratzen von Krallen auf dem Stein der Karlsbrücke.
    »Das Seil …« Julias Stimme wirkte angespannt. »Es geht nicht …«, stöhnte sie, doch dann das erlösende: »Ich hab’s!« Von einem Augenblick auf den anderen triumphierte sie. »Nimm die Ruder.« Sie sprang ins Boot und stieß es vom Ufer ab.
    Bevor Jan die Ruder gefunden hatte, waren sie von Julia bereits ausgelegt worden. Jan verspürte ein Schaukeln. Das Boot bewegte sich und trieb auf die Moldau hinaus.
    Jan und Julia saßen so, dass sich ihre Knie berührten. Am liebsten wäre er so sitzen geblieben, doch ein Umstand störte ihn. Etwas stimmte nicht, bis ihn plötzlich eine Erkenntnis durchfuhr wie ein Lichtstrahl.
    »Ich habe das Untier nicht springen hören!«, kam Jan plötzlich in den Sinn. »Es ist nicht gesprungen!«
    Julia sagte nichts. Jan war es, als hätte ihm jemand kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. Jetzt war er hellwach. Er hatte nur das Kratzen von Krallen auf Stein vernommen. Wenn das Vieh nicht gesprungen war, dann …
    »Julia. Wir müssen doch unter der Brücke durch, oder nicht?«

    »Natürlich. Wir kommen gleich durch den ersten oder den zweiten Bogen. Weiter kann ich uns nicht auf die Moldau hinausrudern. Ich …«
    »Raus aus dem Boot!«, schrie Jan. Er stand auf, stolperte nach vorne, packte Julia unsanft, drehte sich beiseite und ließ sich mit ihr zusammen über die Bordwand fallen. Das eisige Wasser nahm ihm beinahe den Atem und Julia strampelte und wehrte sich. Jan wollte sich mit der freien Hand am Dollbord festhalten, wurde jedoch durch Julias gewalttätige Stöße weggerissen. Das Boot glitt davon. Jan versuchte, erneut danach zu greifen, aber da war es bereits an ihnen vorbeigeschossen. In seiner Verzweiflung begann er zu schwimmen, doch Julias Gewicht drückte ihn unter Wasser – und dann gab ihm die Vorsehung ein Seil in die Hand. Das Tau, das Julia losgebunden hatte und das hinter dem Boot hergezogen wurde. Er griff nach ihm als letzte Rettung. Das treibende Boot zog sie mit sich fort und an die Wasseroberfläche zurück. Jan sog tief Luft in die Lungen und auch Julia schnappte nach Atem.
    »Ja bist du denn verrückt?«, kreischte sie.
    »Sei still! Der Leu!«, brüllte Jan zurück. Da hatte eine Pranke das Boot bereits gepackt und die Ruderbank zerschlagen. Ein weiterer Hieb zerstörte eine Bordwand. Jan drückte Julia und sich unter Wasser, obwohl sich das Mädchen erneut

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