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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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wehrte. Er spürte noch einen dritten Hieb, der das Boot traf, dann waren sie unter dem Brückenbogen hindurchgetrieben.
    Als Jan und Julia wieder auftauchten und zurückschauten, sah Jan die Silhouette des Leu sich gegen den Himmelsbogen abheben. Das Wesen hatte sich einfach von der Brücke herabhängen lassen und mit einer Pranke nach ihnen gefischt.
    »Du hättest wenigstens etwas sagen können«, keifte Julia, »statt mich beinahe zu ertränken.«

    Sie prustete und hustete und spie Wasser, während Jan, dessen Müdigkeit wie verflogen war, sich zum Boot zurückzog.
    »Sei still!«, zischte Jan. »Schau zur Brücke.«
    Julia verstummte sofort, denn jetzt sah auch sie den Leu gegen den Nachthimmel. Er fischte mit seiner Pranke im Fluss.
    Das Wasser war eisig. Wenn sie nicht bald wieder an Land und ins Trockene kamen, würden sie zwar dem Leu entkommen, jedoch in der Moldau erfrieren. Jan fühlte die Kälte die Beine heraufkriechen. Julia ging es sicherlich ähnlich. Mühsam zogen sie sich in die Nähe des Bootes. Als er die Bordwand erreicht hatte, zog er sich hoch. Seine Schulter machte ihm erstaunlicherweise keine Schwierigkeiten mehr, als wäre sie niemals verletzt gewesen.
    »Halt dich einfach nur fest. Reden können wir nachher«, bestimmte er.
    Zwar riss er sich Splitter in die Hände, weil die Bordwand durch Prankenhiebe teilweise zerstört war, doch es gelang ihm, sich ins Innere zu ziehen. »Jetzt du«, sagte er und fasste nach Julias Arm. Mit letzter Kraftanstrengung gelang es ihm, das Mädchen ebenfalls ins Innere zu hieven.
    Erschöpft und frierend lagen sie beieinander und versuchten, sich gegenseitig zu wärmen. Sie zitterten im gleichen Takt. Julia drückte sich an ihn und zog ihn fest an sich, bis mehr Nähe nicht mehr möglich war.
    Jan erklärte ihr, was geschehen war, wobei er sich zweimal auf die Zunge biss, weil seine Kiefer derart klapperten. »Er hat gewartet und wollte uns aus dem Boot herausfischen. Einfach so. Und es wäre ihm beinahe gelungen.«
    »Du hättest mir trotzdem etwas sagen können«, maulte Julia, doch in ihrer Stimme lag eine sanfte Zustimmung. »Ich kann nämlich nicht schwimmen.« Sie ließ ihre Hand
unter sein Hemd gleiten, damit sie warm wurde – und Jan ließ es geschehen.
    »Wärst du dann ins Wasser gesprungen?«, bohrte er nach.
    Julia ließ die Frage unbeantwortet und eigentlich wollte Jan auch keine Antwort. Sie mussten ans andere Ufer und irgendwie an trockene Kleidung kommen.

20
    Der Plan
    J ulia klopfte bereits das dritte Mal, diesmal mit der Energie der Verzweiflung, doch hinter der Tür rührte sich nichts. Es war, als gähnte dahinter eine kaum greifbare Leere.
    »Aber er muss da sein!«
    »Vermutlich hat er die Hosen ebenso voll wie wir!«, knurrte Jan und schlang die Arme fester um sich.
    Er fror wie sie, denn seine Lippen zitterten so, dass ihm das Sprechen schwerfiel.
    Lange hatten sie gebraucht, um das Boot anzulanden und dann den Weg zurück in die Josefstadt zu nehmen, immer in der Angst, das Untier könnte sie verfolgen. Doch es schien sich auf der Kleinseite auszutoben.
    Sie hatten sein dreistimmiges Brüllen hören können und zwischendurch die Schreie von Menschen vernommen. Wenn man sich nur die Ohren hätte zuhalten können, doch die Laute trafen sie so unvermittelt, dass sie immer längst verklungen waren, bevor sie die Hände an die Ohren brachten. Was mit den Menschen geschah, die dort in ihrer höchsten Not schrien, daran wollten sie gar nicht denken.

    Julia klopfte erneut mit der geschlossenen Faust gegen die Pforte. Sie befürchtete schon, man könnte sie die Gasse hinauf hören. Doch Furcht ging um unter den Bewohnern und die Fensterläden wurden geschlossen gehalten.
    »Hör endlich auf. Da ist keiner!«, maulte Jan. »Wir müssen woandershin.«
    »Und wohin?«, zischte Julia. »Der Rabbi hätte gewusst, was zu tun ist.«
    »Schön und gut, aber wo ist dein Rabbi jetzt?«
    Julia, die sich mit der Schulter an der Tür angelehnt hatte, stolperte plötzlich nach innen. Die Tür hatte sich geöffnet, überraschend und geräuschlos. Verunsichert stand sie im stockfinsteren Vorraum des Hauses.
    »Julia?« Jans Stimme klang besorgt. Julia nahm es trotz ihrer Überraschung mit Genugtuung wahr. Es lag ihm also etwas an ihr.
    »Komm schon!«, rief sie nach draußen. »Rabbi Löw ist zu Hause!«
    Wortlos lief sie weiter auf die Tür am anderen Ende zu, an die sie sich erinnern, die sie jedoch nicht sehen konnte. Sie hörte, wie Jan ihr folgte.

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