Haus der Sonne
tun sollte...
...Und trat gerade noch rechtzeitig auf die Bremse, um nicht die Gestalt über den Haufen zu rennen, die aus den Schatten vor mir trat. Ich riß den Manhunter hoch.
Nein, ich wollte den Manhunter hochreißen, aber mein rechter Arm war von dem Schlag gegen den Ellbogen wie gelähmt. Meine linke Hand entriß die Waffe meiner tauben rechten. Ich schaltete das Laserzielrohr ein und richtete den roten Punkt auf den Kopf der Gestalt.
Dunkle, wie flüssig aussehende Augen weiteten sich voller Panik. Ein geschmackvoll zurechtgemachter Mund öffnete sich in fassungslosem Staunen.
Die Elfe vor mir war wunderschön. Knapp zwei Meter groß, gertenschlank und ein Gesicht, das sich am besten mit den Worten ›warum Männer kämpfen‹ beschreiben läßt.
Hure, Freudenmädchen, Sex-Arbeiterin - so hatte ich sie sofort abgestempelt, aber dann sah ich ihre Kleidung. Sie trug eine Konzernmontur der Spitzenklasse. Ein Kostüm, das wahrscheinlich genauso viel gekostet hatte wie ein Kleinwagen. Polierter Titanschmuck: Ohrringe, Halskette, dazu passende Armreifen. Diese Armreifen blitzten im Licht der Straßenlaternen auf, als sie mir ihre leeren Hände zeigte. »Nicht schießen. Bitte!«
Instinktiv senkte ich den Manhunter. Der vernünftigere Teil meines Verstandes wußte, daß das eine schlechte Idee war, aber plötzlich schien der Edle-Ritter-Hirnlappen das Kommando übernommen zu haben. Kaum hatte ich meine Kanone gesenkt, als sie eine ihrer Handflächen auf meine Brust richtete.
Und mich dann tatsächlich erschoß. An ihrem Armband blitzte eine Flamme auf, und ein Schmerz trieb sich in meine Brust, eine lange, weißglühende Nadel der Qual, die durch den leichten Körperpanzer stach, als sei er gar nicht da. Ich versuchte den Manhunter wieder an-zulegen, mit gleicher Münze zurückzuzahlen, aber das Ding wog plötzlich ein paarhundert Kilo.
Ich war noch dabei, mir einen witzigen Spruch passend zu meinem Abgang zu überlegen, als mich die Schwärze überkam wie eine Flutwelle und mich abwärts trug, tief, tief abwärts.
17
Licht. Morgen.
Ich lag dort - wo das auch war - eine unmeßbare Zeitlang und starrte einfach zu dem weichen Licht hinauf, das von nirgendwoher zu kommen schien. Wenn dies der Tod war, gefiel er mir irgendwie. Keine Schmerzen, keine Sorgen, keine Ängste. Auch keine richtigen Gedanken und schon gar kein analytisches Wissen um die Zukunft. Ich war nur das ewige, lebende Jetzt und sorgte mich ebensosehr um Vergangenheit und Zukunft wie ein verdammtes Kaninchen. Es war angenehm, und eine ich weiß nicht wie lange Weile ließ ich mich einfach treiben.
Natürlich war dieser Zustand nicht von Dauer - das sind die guten Sachen nie. Viel zu früh wurde ich mir meines Körpers bewußt. Des trägen Pochens meines Herzens. Der langsamen, rhythmischen Tätigkeit meiner Lungen. Der Berührung weicher Laken und einer festen Matratze unter meinem Rücken.
Und des pochenden Schmerzes einer Einstichwunde mitten auf meiner Brust.
Diese Erkenntnis bereitete dem zeitlosen Dahintreiben ein Ende, das kann ich Ihnen sagen, Chummer. Als hätte die Bewußtwerdung des Schmerzes eine Art Schleuse geöffnet, wurde mein Verstand von Erinnerungen an die Vergangenheit und Ängsten vor der Zukunft überflutet. Ich glaube, an dieser Stelle habe ich gewimmert. Jemand hatte mich geschnappt, und zwar glatt und sauber. Die Elfen-Schnalle hatte mich mit ihrem Aussehen und ihrer Körpersprache abgelenkt und mir dann einen Narkosepfeil in die Brust gejagt. Gute Taktik mit viel Voraussicht und Planung. Damit blieben aber immer noch eine Menge wichtiger Fragen offen.
Wer? Und, was noch wichtiger war, warum? Zuerst das »Wer«, entschied ich.
Moko und Kat? Wohl eher nicht, Chummer. Eine schnelle Vorbeifahrt war mehr ihr Stil. (Drek, wäre ich eine Millisekunde langsamer gewesen, hätten sie Erfolg gehabt und ich wäre jetzt tot.) Ryumyo? Wohl eher nicht. Kat und ihre Freunde waren mit einiger Sicherheit auf seinen Befehl hinter mir her. König Kamehameha? Wohl eher nicht. Er hatte mich im Iolani-Palast in den Klauen gehabt und mich ziehen lassen. Harlech, der Elf? Wohl eher nicht, und zwar aus denselben Gründen. Blieb noch ...
Blieb noch die verdammte Yakuza, oder? Die Yaks konnten so brutal und direkt wie jeder andere auch sein, wenn es die Umstände rechtfertigten, aber sie konnten auch ein sauberes, elegantes Ding abziehen, wenn sie wollten. Wie die Sache mit der Elfen-Schnalle und ihrem Armband.
Und das beantwortete das
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