Haus der Sonne
Erschütterung, die mir durch Mark und Bein fuhr, beantwortete diese Frage. Ich hatte dem hinteren Teil der Passagierkabine keine besondere Beachtung geschenkt. Zwar war mir aufgefallen, daß der Boden hinter den letzten Sitzen im Winkel von fünfundvierzig Grad nach oben zeigte, hatte das aber für ein konstruktionsbedingtes Merkmal gehalten und nicht weiter darüber nachgedacht. Jetzt begriff ich. Die aufwärts geneigte Metallwandung war zu einer abwärts geneigten Metallrampe geworden und von Explosivladungen vom Rest der Wandimg abgesprengt worden. Bevor die Echos verklungen waren, hallten die Schritte der Soldaten auf dem Metall, als die Soldaten die Rampe hinunterrannten. Pohaku und Kono waren ihnen auf den Fersen, wobei die Frau lange genug innehielt, um mir noch einen vielsagenden ›Jetzt oder nie‹-Blick über die Schulter zuzuwerfen.
Währenddessen mühte sich Akaku'akanene mit dem Vierpunktgurt ab. Mit einem Seufzer ging ich in die Hocke und half ihr dabei, das Geschirr zu öffnen und die Riemen über ihre schmalen Schultern zu zerren. »E hele«, sagte ich zu ihr, und sie nickte. Während sie nach hinten zur Rampe eilte, holte ich mein Ares-Sturmgewehr unter dem Sitz hervor. Ich wollte ihr folgen, doch dann kam mir ein anderer Gedanke.
Die Soldaten waren mit ihren Sturmgewehren ausgerückt, aber viele von ihnen hatten ursprünglich auch noch andere Waffen bei sich gehabt. Nun, wo sich die Dinge hier oben im Haus der Sonne ziemlich übel entwickelt hatten, war es da nicht sinnvoll, mich noch nach einigen Dingen umzusehen, die mir vielleicht helfen konnten?
Es war hart, das Ekelgefühl zu überwinden, aber ich schaffte es, mich dem Soldat mit dem gebrochenen Genick so weit zu nähern, daß ich seine Bewaffnung sah. Haufenweise Granaten, aber die rührte ich nicht an. (Ich bin nie in ihrem Gebrauch unterwiesen worden, und um die Wahrheit zu sagen, ängstigten mich »persönliche Sprengwaffen‹ zu Tode. Ich konnte mir viel zu leicht vorstellen, wie ich den Stift abzog und dann in Panik geriet... und den Stift anstelle der Granate warf. Wumm.)
Aber ich sah auch etwas, das schon eher mein Kaliber war. In einem Spezialhalfter auf der rechten Seite steckte etwas, das wie die großkalibrigste Pistole der Welt aussah. Ich zog sie heraus und drehte und wendete sie in den Händen. Es war eine Granatwerfer-Pistole. Was sollte es sonst sein? Hinter dem Pistolengriff befand sich das Magazin, und die digitale Anzeige an der Waffe verriet mir, daß sechs Schuß nur darauf warteten, abgefeuert zu werden. Sahne. Ich vergewisserte mich gründlich, daß die Waffe gesichert war, bevor ich sie unter einen Halteriemen meiner Kampfweste klemmte. Ich nahm mir noch ein Magazin mit Granaten und schob es tief in eine Tasche. Dann trabte ich die Rampe hinunter...
Und mitten hinein in den schlimmsten Trip eines Chipheads. Über mir wallten die schwarzen Wolken wie eine Flüssigkeit und wurden von einem heißen, trockenen Wind durcheinandergewirbelt, der mit unsichtbaren Händen an meiner Kleidung und meinen Haaren zupfte. Zerschmettertes Gestein bewegte sich und schwankte unter meinen Füßen, während ich das Gleichgewicht zu halten versuchte. Der ganze Vulkan schien unter einer tiefen, fast sublimen Vibration zu beben. Meine Eingeweide verkrampften sich, was mir dabei half, mir nicht in die Hose zu machen. Nicht aus Angst - Drek, natürlich hatte ich Angst, aber daran lag es nicht. Es war, als würde das Geräusch selbst meine Gedärme in brodelnden Aufruhr versetzen.
Die Merlin hatte sich in die Ausläufer eines hundert Meter hohen Schlackehügels gebohrt. Der abfallende Boden war mit Felsbrocken übersät, die in der Größe zwischen Geschirrspülmaschine und Haus rangierten. Das wabernde Licht, bei dem es sich um Projekt Sonnenfeuer handelte, war dort unten - vielleicht einen halben Kilometer entfernt, einen zerklüfteten Abhang hinab und auf dem geschwärzten und verkohlten Boden eines kleineren Kraters. Der große Lichtfächer - der Nimbus aus leuchtender Luft - ragte vor mir auf und wurde von den wallenden Wolken reflektiert. An seiner Basis, inmitten der leblosen Lichtpunkte der Bogenlampen, sah ich Gestalten, die sich bewegten.
Ein halber Kilometer - das sind 500 Meter, eine ziemliche Entfernung, um Einzelheiten zu erkennen. Aber vielleicht lag hier irgend etwas in der Luft - ob magisch oder nichtmagisch wußte ich nicht -, das die Dinge klarer machte. Die Gestalten waren winzig, aber ich konnte dennoch einige
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