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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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Arbeitsspeicher, deren Inhalt auf dem Schirm angezeigt wurde. Unglücklicherweise war die entscheidende Formulierung »soweit ich sehen konnte«. Wenn ein novaheißer Decker eine Sicherheitskopie vor einem Amateur wie mir verstecken wollte, würde ihm das auch so sicher wie nur was gelingen. Nachdem ich in puncto Sicherheit getan hatte, was ich konnte, las ich die Nachricht auf dem Bildschirm.
    Offenbar hatte Barnard nie gelernt, wie man prägnante Briefe schrieb. (Andererseits bedeuten die Pro-Bit-Gebühren für elektronische Nachrichtenübermittlung einem Konzernpinkel natürlich auch nicht ganz so viel.) Die Botschaft von Jacques Barnard für den verstorbenen Ekei Tokudaiji füllte drei Bildschirmseiten. Ich las sie zweimal, Wort für Wort, dann ging ich sie noch einmal im Hinblick auf ihren allgemeinen Inhalt durch.
    Wenn man bedachte, was ich dem Text an sinnvoller Bedeutung entnahm, hätte sich Barnard auch auf zwei oder drei Zeilen beschränken können. Hätte man mich gebeten, eine Zusammenfassung des Briefes à la Oberschule zu liefern, wäre etwa Folgendes dabei herausgekommen: »Setzen Sie fort, womit Sie gerade im Hinblick auf das angesprochene Thema beschäftigt sind, und vergessen Sie nicht, daß andere, nicht identifizierte Leute Schritte unternehmen könnten, um sie daran zu hindern. Einen schönen Tag noch.«
    Seufz. Damit hätte ich wohl rechnen müssen. Es gibt mehr Möglichkeiten, Bedeutung zu verschleiern, als die Benutzung eines 70-Bit-Codes. Unklare Redewendungen, kryptische Bezugnahmen, die niemandem etwas sagen, außer den beiden Gesprächspartnern, Anspielungen auf so interessante Dinge wie »unser Gespräch vom 18. 12. 55« und »die Angelegenheit, die unserem gemeinsamen Freund solche Sorgen bereitet« ...
    Abgesehen von meiner simplen Zusammenfassung konnte ich tatsächlich eine Sache mit einer gewissen Sicherheit aus der Botschaft schließen. Nämlich: Tokudaiji und Barnard waren sich nicht fremd, und ihre Interessen hatten sich in der Vergangenheit mehrfach überschnitten. Das war alles, was ich nach der Lektüre der Nachricht mit Sicherheit wußte.
    Natürlich konnte ich eine ganze Reihe von Vermutungen anstellen. Erstens, nach allem, was Te Purewa -›Marky‹ für diese Leute - mir erzählt hatte, schien es einigermaßen logisch zu sein, daß es sich bei »womit Sie gerade beschäftigt sind« darum handelte, die Bevölkerung zu beschwichtigen, wenn Na Kama'aina und ALOHA sie aufzuwiegeln versuchten. Und zweitens...
    Zweitens... Was diesen Punkt betraf, war ich absolut nicht sicher, aber ich wurde das Gefühl nicht los, tief im Magen und sehr beunruhigend, daß diese Botschaft kein Schwindel war, den man nur ersonnen hatte, um einen so gut wie toten Kurier beziehungsweise ein Trojanisches Pferd zu beruhigen. Wenn mich jemand aufgefordert hätte, auf den verantwortlichen für Tokudaijis Tod zu wetten, hätte ich noch vor gar nicht allzu langer Zeit einen Haufen Kreds auf einen gewissen Jacques Barnard gesetzt. Und jetzt? Keine Wette, Chummer. Klar, ich bin dafür bekannt, daß ich mich irre, aber ganz tief drinnen, wo sich die Instinkte zu Wort melden, glaubte ich es einfach nicht mehr.
    Was, zum Teufel, ging also vor?
    Ich vergewisserte mich, daß sich der Chip, den ich Poki gegeben hatte, noch im Chipschlitz des Compis befand, dann kopierte ich den entschlüsselten Text darauf, vergewisserte mich, daß sich der Text jetzt tatsächlich auf dem Chip befand, und löschte die Datei aus dem Speicher. Dann ließ ich den Chip wieder in das Etui gleiten, das ich in meine Jackentasche steckte.
    Kat und Poki beobachteten mich, als ich zum Besprechungstisch zurückging. »Danke«, sagte ich mit einem an die Adresse des Deckers gerichteten Nicken. Dann konzentrierte ich meine Aufmerksamkeit auf Kat. »Ich muß zurück in meine Bude in Chinatown.« Natürlich log ich in bezug auf die Lage meines Unterschlupfs und achtete genau darauf, ob das eine Reaktion hervorrief.
    Ich sah keine - das heißt, von einem mißbilligenden Stirnrunzeln abgesehen. »Dein Versteck ist nicht sicher«, stellte sie fest. »Die Yaks haben es vielleicht schon entdeckt.« Sie beschrieb eine einladende Geste mit der Hand. »Bleib einfach hier, Hoa, hier bist du geschützt. Was hältst du davon? Wenn du dich aufs Ohr legen willst...«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe Sachen dort, die ich brauche«, log ich treuherzig. »Wenn ich sie nicht bekomme, bin ich tot. Nicht sofort, aber ziemlich bald.«
    Sie warf einen Blick

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