Haus der Sonne
wie ein Haufen Steine in der Radkappe eines fahrenden Wagens.
Ich zögerte, dann gab ich es zu: »Ja.«
»Wie ist er abgetreten?«
Ich warf einen Blick auf den Besprechungstisch, wo Moko und Kat waren, in der Hoffnung, dort eine Erleuchtung zu finden. Aber sie waren in ein Gespräch miteinander vertieft. Ich zuckte die Achseln und sagte: »Durch eine Bauchbombe, glaube ich.«
»Ja, aber zuerst hat er den Oyabun erwischt, ja?«
»Das hat er«, bestätigte ich.
Der Ork lächelte. »Gut. Dann ist er aufrecht gestorben, so, wie er abtreten wollte.« Und er ging an mir vorbei aufs Klo.
Ich blinzelte überrascht. Das war gewiß nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Aber mir blieb keine Zeit, genauer darüber nachzudenken, da Kat »Hoi!« rief und mich zu sich winkte.
Mittlerweile hatte sich den beiden eine dritte Person angeschlossen. Der Hautfarbe nach ein Hawaiianer oder Polynesien aber kein Ork, sondern ein Elf, spitze Ohren und halbmondförmige Augen inklusive. (Zum erstenmal fiel mir auf, wie wenige Elfen ich hier auf Hawai'i bisher gesehen hatte.) Abgesehen von der Hautfarbe hätte er in Seattle keineswegs fehl am Platz gewirkt... oder auch in Cheyenne, was das betraf. Er trug nicht das, was ich bei mir als ›tropische Abenteuerausrüstung‹ bezeichnete, sondern engsitzendes schwarzes Leder, das mit modischen Acessoires wie Ketten, Beschläge und Metallplatten verziert war. Seine Pseudo-Irokesen-Frisur ließ Stirn und Schläfen frei, und im Licht der Deckenlampen glitzerten drei Datenbuchsen und Chipschlitze.
Kat deutete auf den Elf. »Poki«, sagte sie. Ich nickte grüßend. Der Elf sah nur direkt durch mich hindurch, zu cool, um auch nur meine Existenz zur Kenntnis zu nehmen. Wie allzu viele Elfen, fügte ich im stillen hinzu.
»Ich höre von Marky, daß du einen Chip hast, den du entschlüsselt haben willst, ja?« sagte Kat.
Ich zögerte einen Augenblick. Dann - darauf hatte ich schließlich gewartet, nicht wahr? - griff ich in meine Tasche und holte das Chipetui heraus. Ich legte es auf den Tisch und versetzte ihm einen Stoß, so daß es zu Poki rutschte.
Er hob es auf, wobei er sich wiederum weigerte, meine Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Es war Kat, die er fragte: »Was liegt an?«
»Siebzig-Bit-Code, öffentlicher Schlüssel«, sagte ich zu ihm.
Das brachte ihn tatsächlich dazu, mich an-, anstatt durch mich hindurch zu sehen. »Ach ja?« Er grinste, und sein schlankes Gesicht nahm plötzlich einen raubtierhaften Ausdruck an. »Fleisch für die Bestie, Hoa. Bis wann?«
»So schnell wie möglich«, sagten Kat und ich beinahe gleichzeitig.
Der Elf nahm das Chipetui. »Wann werdet ihr mir endlich mal was Schwieriges besorgen?« fragte er Kat mit einem entschieden boshaften Kichern. Und damit schlenderte er zur Computer-Ecke.
11
Die nächsten sechs Stunden saß ich abseits in einer Ecke und sah dem Schattenteam - wenn es einen Namen hatte, dann verrieten sie ihn mir (wie vorauszusehen) nicht - zu, wie es seiner Arbeit nachging. Poki, der elfische Decker, hockte die ganze Zeit vor seinen Computern und sang tonlos drei Jahre alten Shag Rock mit, der über eine seiner sekundären Datenbuchsen direkt in sein Hirn gespeist wurde. Die anderen... nun, sie erledigten ›Shadowrunner-Kram‹. Der Ork, den ich vor dem Klo getroffen hatte - er hieß Zack, wie ich mittlerweile erfahren hatte -, war so eine Art Waffenmeister des Teams und schien seine Aufgabe, die tödlich aussehenden Waffen aus dem Arsenal des Teams auseinanderzunehmen und zu reinigen, außerordentlich zu genießen. Eine chinesische Zwergin - ihren Namen habe ich nie erfahren - half ihm von Zeit zu Zeit, um zwischendurch zu Poki zu gehen und seinen Schultern bei der Arbeit eine Tiefenmassage zu verpassen. Moko schlief die meiste Zeit in einer Hängematte, die zwischen zwei Stützpfeilern aufgehängt war. Kat und eine andere Orkfrau - Kat nannte sie Beta - hatten ein paar Taschencompis zusammengeschaltet und schienen Verwaltungsarbeit zu erledigen. (Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, aber ich nehme an, daß sich selbst Schattenteams dieser freudlosen Aufgabe nicht entziehen können.)
Von den sieben Leuten im Einsatzraum hatte nur ich nichts zu tun, wenn man unterstellte, daß Mokos gegenwärtige Beschäftigung darin bestand, dringend erforderlichen Schlaf nachzuholen. Ich kann Wartezeit nicht besonders gut totschlagen, besonders dann nicht, wenn ich mein Leben in die Hände von Leuten lege, die ich im Grunde gar nicht
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