Haus der Sünde
Und ich vermute, dass ich dafür genauso
anfällig bin, wie das jede Frau gewesen wäre.« Nun war es an ihr, die Sherrygläser aufzufüllen; sie war keineswegs überrascht, dass Beatrice sie nicht davon abhielt. Vermutlich war die Ärztin die kurze Strecke von ihrem Cottage durch das Dorf zu Fuß gegangen. »Lange Zeit habe ich mich nach Geralds Tod überhaupt nicht mehr dafür interessiert. Ich war mir sogar sicher, dass es mich nie mehr reizen würde … Aber jetzt bin ich wieder so weit, und ich weiß, dass Gerald niemals von mir erwartet hätte, für den Rest meiner Tage eine vertrocknete, alte Witwe zu bleiben.«
»Sie wären niemals vertrocknet!«, rief Beatrice lebhaft und stieß mit Claudia an, wobei sie diese Gelegenheit nutzte, etwas näher an sie heranzurücken. »Deshalb hat Gerald Sie wahrscheinlich auch so geliebt … Er war wirklich ein besonderer Mensch. Er gehörte zu jenen Männern, die wissen, wann sie eine besondere Frau vor sich haben.«
»Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen«, murmelte Claudia. Wieder einmal war sie ein wenig verwirrt, und diesmal lag es daran, dass sie das Gefühl hatte, als stünde eine frühere Geschichte plötzlich im Raum. Gerald hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er vor ihrer Ehe ein ausgesprochen abenteuerliches Sexleben gehabt hatte, und es war recht eindeutig, dass Beatrice irgendwann einmal ein Teil davon gewesen war. Claudia überraschte es, dass diese Vorstellung sie ganz und gar nicht eifersüchtig machte. Sie fühlte sich vielmehr geradezu ausgezeichnet durch die Tatsache, auf so intime Weise mit Beatrice verbunden zu sein. Ihr war es schließlich auch nicht schwer gefallen, sich vorzustellen, dass die Ärztin eine erotische Liaison mit Paul hatte. Ganz im Gegenteil! Sie hatte es sehr erregend gefunden.
»Ist es das erste Mal, dass Sie einen jüngeren Liebhaber haben?« Beatrices Frage klang sowohl sachlich als auch ein wenig spöttisch. Sie zog ihre fein gezeichneten Augenbrauen
ironisch hoch und Claudia musste wieder lachen. »Es tut mir Leid, ich bin wirklich schrecklich indiskret und neugierig«, entschuldigte sich die Ärztin beinahe im gleichen Moment, wobei auch sie kichern musste. Es war ein Augenblick weiblicher Komplizenschaft, und dennoch konnte Claudia das Gefühl der Lust nicht unterdrücken, das sie beim Anblick von Beatrices BH-freien Brüsten überkam, die dank des ungehemmten Lachens unter ihrem Oberteil wippten.
Sie sind wirklich eine Schönheit, Dr. Quine, dachte Claudia und betrachtete weiterhin heimlich den üppigen, sinnlichen Körper der anderen Frau. Es war erstaunlich, wie gut sich diese Empfindungen, die sie für Beatrice hegte, bereits anfühlten.
»Es ist schon in Ordnung, Beatrice«, sagte sie und strich mit dem Finger über den Rand ihres Glases. »Ich habe nichts dagegen. Wahrscheinlich bin ich ohnehin selbst daran schuld, dass wir nun hier sitzen und so miteinander sprechen.«
Beatrice antwortete nicht, ihre funkelnden grünen Augen sprachen jedoch Bände.
»Ja, Paul ist der erste jüngere Mann, mit dem ich zusammen bin«, fuhr Claudia fort. »Aber es gab sowieso nicht so viele in meinem Leben – egal, wie alt sie sein mochten. Ich bin vermutlich ein Spätzünder.«
»Ich auch, ob Sie es glauben oder nicht«, entgegnete Beatrice lächelnd. »Obgleich ich inzwischen versucht habe, all das nachzuholen, was ich durch mein anfängliches Zögern verpasst habe …«
Das glaube ich gern, dachte Claudia und wünschte sich, genauso bohrend nachfragen zu können wie ihr Gast. Aber dazu fehlte ihr der Mut.
»Es ist unglaublich befriedigend, mit jemandem, der jünger ist als man selbst, ins Bett zu steigen, nicht wahr?«, meinte Beatrice nach einigen Sekunden. »Ich kann mich noch gut
an mein erstes Mal erinnern. Sogar sehr gut.« Ihre Stimme klang verträumt, als würde sie sich wunderbaren und viel versprechenden Erinnerungen hingeben. Claudia hatte wieder einmal den Eindruck, als ob Beatrice genau wüsste, was in ihr vorging.
»Meinen Sie damit, dass die Tatsache, dass man selbst älter ist, einem das Gefühl gibt, das Ruder in der Hand zu haben?«, fragte Claudia. Innerlich musste sie jedoch zugeben, dass in ihrem Fall genau das Gegenteil geschehen war. Trotz seiner angeblichen Erschöpfung – oder vielleicht gerade deshalb – war es Paul problemlos gelungen, beide Male die Führung zu übernehmen.
»Im Allgemeinen würde ich Ihre Frage bejahen«, erwiderte Beatrice nachdenklich. »Aber für mich war es
Weitere Kostenlose Bücher