Haus der Sünde
Claudias Seite. Es war eine Geste, nicht so sehr die eines Liebhabers, sondern vielmehr die eines guten Freundes.
»Warum? Hat sie sich an dich herangemacht?«
»Nein, leider nicht«, erwiderte Paul und streckte sich. Sie waren noch immer völlig nackt, doch das Licht im Zimmer hatte inzwischen abgenommen. Claudia hätte ihn gern etwas besser betrachten können.
»Es wäre wahrscheinlich unprofessionell von ihr gewesen oder so ähnlich.«
»Vermutlich …« Claudia setzte sich auf und wandte sich ihm zu. Sie berührte seine Wange, um ihn dazu zu bringen, ihr direkt in die Augen zu sehen. »Hättest du dich verführen lassen, wenn sie es versucht hätte?«
Seine langen, dunklen Wimpern flatterten nervös.
»Keine Sorge«, fuhr sie fort, als sie sah, wie er rot anlief. »Ich behaupte nicht, dass ich nicht eifersüchtig gewesen wäre. Aber schließlich haben wir beide uns keine ewige Treue oder so was geschworen, nicht wahr?« Sie hielt inne, denn auf einmal kam ihr eine unglaubliche Idee. »Du könntest ja sogar untreu sein, indem du mit mir zusammen bist, weißt du? Vielleicht bist du verheiratet!«
»Stimmt, das könnte sein«, bemerkte er und runzelte die Stirn. Dann küsste er Claudia auf die Innenfläche ihrer Hand. »Aber falls ich wirklich eine Frau haben sollte, dann kann ich mich absolut nicht mehr an sie erinnern.« Er küsste sie erneut, und seine Lippen wanderten zu ihrem Handgelenk, um dort ihre Haut zu schmecken. »Aber jetzt zurück zu Beatrice«, sagte er und brachte Claudia bei diesem offensichtlichen Ablenkungsmanöver dazu, in Lachen auszubrechen. »All diese Sachen, die du mir gerade erzählt hast … Hast du die ernst gemeint? Würdest du wirklich mit ihr in die Kiste steigen? Ich will nicht behaupten, dass ich nicht eifersüchtig wäre, wenn
du es tatsächlich tätest …« Er schaute auf und grinste sie von unten an. »Ich möchte nur, dass du mir versprichst, mich zuschauen zu lassen.«
»Du Schwein!«, tadelte sie ihn voll Zuneigung. »Ihr Männer seid doch alle gleich, wenn es um zwei Frauen auf einmal geht.«
»Dann gibt es zumindest etwas, das man bei mir als normal bezeichnen kann«, entgegnete Paul fröhlich. Er küsste sie in die Armbeuge und öffnete dabei leicht die Lippen, um mit der Zunge über eine Vene zu streifen. »Du hast mir allerdings noch immer nicht gesagt, wie es mit dir und Beatrice aussieht. Ob du das wirklich ernst gemeint hast oder ob es sich nur um deine Erfindung handelt, die mich anheizen sollte.«
»Beides«, sagte sie und zuckte ein wenig zusammen, als er drohte zuzubeißen. »Allerdings habe ich andere Frauen bisher aus einem unerfindlichem Grund noch nie als sexuell anziehend betrachtet. Bis jetzt. Du musst etwas mit mir gemacht haben, dass ich auf einmal meine Meinung geändert habe.« Sie griff ihm leicht in die Haare und brachte ihn dazu, ihr in die Augen zu blicken. »Bis ich dich traf, bin ich nie auf eine Frau scharf gewesen.«
Paul warf ihr einen gespielt empörten Blick zu.
»Du weißt genau, was ich meine«, sagte sie, zog ihn zu sich und gab ihm einen Kuss auf die Lippen.
»Und was ist mit Melody?«, fragte er, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten und er sie freundschaftlich in die Arme genommen hatte. »Würdest du mit ihr ins Bett gehen? Es ist doch offensichtlich, dass sie dich bewundert.«
»Wie bitte? Wie kommst du auf die Idee?«
Die Vorstellung schien absurd zu sein – beinahe obszön. Ihre Gefühle für Melody waren stets nur freundschaftlich gewesen. Sie war eine gute Vertraute, mit der sie sich bestens unterhalten konnte, beinahe wie mit einer Tochter oder einer
jüngeren Schwester. Die Unterstützung, die sie sich gegenseitig gaben, war immer rein platonisch gewesen. Bisher war es Claudia nie in den Sinn gekommen, dass etwas anderes daraus werden könnte.
Bisher …
Melody war schön, sogar jetzt noch, nachdem sie von ihrem Mann in eine beinahe austauschbare Puppe verwandelt worden war. Das harte, auf Hochglanz polierte Aussehen, das er bevorzugte, passte überhaupt nicht zu ihren Gesichtszügen, ihrer Jugend und ihrer Verträumtheit. Claudia konnte sich noch gut an eine andere Melody erinnern, ein hübsches, nymphenhaftes Mädchen mit weichen, dunklen Haaren, die leicht gewellt waren, und einem Gesicht, so fein geschnitten, dass es überhaupt kein Make-up brauchte. Melody hatte eine jugendliche Verletzlichkeit besessen – die noch immer vorhanden war und die Claudia, die ältere der beiden Frauen, sehr angezogen
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