Haus der Sünde
ausmachen, dass er sich nicht in ihr befand – solange er nur mit seinen Fingern ihre Klitoris bearbeitete.
Die Szene, die sie sich nun ausmalte, wirkte sanfter und weniger heftig als zuvor. Dennoch hatte Claudia ihren Appetit
verloren. Sie wollte die perfekt gekochte Pasta mit der aromatischen Sauce nicht mehr, die vor ihr stand. Nein, sie begehrte Paul, seinen herrlichen Body und seinen starken, jungen Penis. Das leidenschaftliche Tête-ǎ-Tête nach dem Essen, wie sie sich das noch zu Hause vorgestellt hatte, wurde auf einmal zu einer starken, beinahe schmerzhaften Versuchung. Gab es in diesem Pub vielleicht ein Zimmer, das sie kurz mieten konnten? Sie konnten ja behaupten, dass einer von ihnen krank geworden sei und sich rasch hinlegen müsse. Es wäre schließlich gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt gewesen.
Sie stellte sich vor, wie sie mit Paul in einem großen, alten Bett lag, das aus einer durchgelegenen Matratze und einer großen Daunendecke bestand. Zunächst würden sie rasch und leidenschaftlich miteinander bumsen, um das erste Verlangen zu stillen, und sich dann einen ganzen Sommernachmittag lang dem Liebesspiel hingeben. Während er ihr viele weitere Geschichten über seine Eskapaden mit Vivian erzählte, würde sie ihn nicht nur zwischen ihren Schenkeln kommen lassen, sondern auf ihrem ganzen Körper, wo auch immer er gerade Lust hatte. Auf ihrem Bauch, über ihren Brüsten, auf ihrem Hals und ihrem Gesicht. Sie glaubte, ihn vor sich zu sehen, wie er über ihr kniete, den harten Schwanz in seiner Hand, und mit raschen, geschickten Bewegungen masturbierte, um dann schließlich mit einem lauten Schrei seinen Saft auf sie zu spritzen …
Ein Blick auf Paul genügte, um ihr zu zeigen, dass er den gleichen Traum oder zumindest einen sehr ähnlichen gehabt hatte. Seine glatten Wangen waren gerötet und auch er hatte das Essen kaum angerührt. Seine Haltung war ein wenig seltsam, ganz so, als wüsste er nicht, wie er bequem dasitzen sollte.
»Paul, ich habe mir gerade überlegt -«, begann sie und bemerkte, wie seine Augen schon funkelten. Er sprang fast von seinem Stuhl auf, als hätte er nur darauf gewartet, das Stichwort
von ihr zu erhalten. Sie lächelte ihn an und wusste, dass sie den Satz gar nicht mehr beenden musste.
Doch als sie nach hinten griff, um die Tasche, die über ihrer Stuhllehne hing, zu ergreifen, fiel ihr Blick auf ihre Armbanduhr. Das Zifferblatt schien sie vorwurfsvoll anzustarren.
Viertel vor zwei.
Es war bereits Viertel vor zwei, und sie mussten noch ein schönes Stück fahren, um die Klinik und mit ihr Beatrice zu erreichen.
»Wir würden uns verspäten«, sagte Paul leise, faltete seine Serviette und legte sie gedankenverloren auf den Teller, auf dem das Besteck gebracht worden war.
Claudia spielte für einen Augenblick mit dem Band ihrer Armbanduhr und wünschte sich, das verdammte Ding zu Hause vergessen zu haben. Dann hätten sie nun ein Zimmer nehmen können, ohne sich Gedanken machen zu müssen.
»Ja, das befürchte ich auch«, antwortete sie und zuckte die Achseln. Dann nahm sie die Tasche und stellte sie mit einem Schwung auf ihren Schoß, um die Kreditkarte herauszuholen.
Doch während sie das Stückchen Plastik noch suchte, musste sie auf einmal lächeln.
»Es wird andere Gelegenheiten geben«, erklärte sie ihrem verwunderten Liebhaber, der sie aufmerksam betrachtet hatte, »und ein anderes Hotel. Ich werde es wieder gutmachen. Keine Sorge, wir werden unseren heimlichen Nachmittag schon noch bekommen.«
Kapitel 10
Gedenket der Toten, aber vergesst auch die Lebenden nicht
»Und? Hat er sich noch an Weiteres erinnern können?«, fragte Beatrice. Sie saß gemeinsam mit Claudia im Warteraum der Ainsley Privatklinik, der geradezu obszön luxuriös ausgestattet war.
Ich sollte es ihr erzählen, dachte Claudia und unterdrückte ein Lächeln. Jemand wie Beatrice würde die Geschichte von Paul und Vivian wirklich genießen und sie ganz und gar nicht als unnormal abtun. Einige Sekunden lang zog Claudia wirklich in Betracht, der Ärztin zu erzählen, was Paul zugestoßen war; doch dann entschied sie sich dagegen. Sie hatte kein Recht, seine privaten Erinnerungen an die eigene Vergangenheit einfach weiterzuerzählen.
»Nur ein paar kleine Dinge«, antwortete sie unverbindlich. »Eigentlich nichts Herausragendes. Was er so mag und was nicht. Nichts, was mit seiner Identität oder seinem früheren Leben zu tun hat.«
»Das wird schon noch kommen«,
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