Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
möchte ich nicht, dass ihr im Moment allein rausgeht. Keine von euch.«
»Er ist mein Bruder!« Eve klang jetzt zornig, ihre Stimme zitterte. »Wie konnte er das tun? Was für ein... ein...?«
»Du kannst nichts dafür«, sagte Lowe. »Du hast versucht, ihm zu helfen. Er wurde nur noch kränker.«
»Ich kann etwas dafür!«, schrie sie. »Ich bin diejenige, die ihn in den Knast gebracht hat! Ich bin diejenige, die Brandon nicht aufgehalten hat, als er...«
»Als er was?«, fragte Lowe sehr ruhig.
Eve antwortete nicht. Sie schaute auf ihre schwarz lackierten Fingernägel und zupfte nervös daran herum.
»Als er zu einem leichteren Ziel überging«, sagte sie. »Als ich erst einmal sichergestellt hatte, dass er mich nicht mehr erreichen konnte.«
»Himmel«, murmelte Lowe und in seiner Stimme lagen Abscheu und Überdruss. »Eines Tages wird dieser verdammte Vampir seine...«
»Trav«, sagte Hess. »Lass uns die schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen.«
»Ja, ich weiß, aber Himmel noch mal, Joe, es ist ja nicht so, dass dies das erste Mal wäre...«
Claire brauchte einige Sekunden, bis sie dahinterkam, wovon sie eigentlich sprachen, aber dann erinnerte sie sich an Eves Gedichte, die sie auf dem Computer durchgesehen hatte... lauter romantisches Zeug wie Sind Vampire nicht großartig?, bis sie etwa fünfzehn war, und dann... keine Romantik mehr. Brandon. Brandon hatte sich an sie herangemacht, als sie fünfzehn war.
Und Jason war ihr jüngerer Bruder.
»Was hat er mit ihm gemacht?«, fragte Claire leise. »Brandon, meine ich. Hat er ihn... gebissen?«
Eve schaute nicht auf, aber ihre Wangen färbten sich so rosa wie ihr Bademantel. »Manchmal«, sagte sie. »Und manchmal Schlimmeres als das. Wir sind nur Spielzeuge für ihn, weißt du? Puppen. Wir sind nicht real . Menschen sind überhaupt nicht real.«
»Ich befürchte, das sieht Jason jetzt genauso«, sagte Hess. »Man kann dem Jungen nicht die Schuld dafür geben. Er hatte keine wirkliche Chance. Aber ich sag es noch mal, Eve, dir selbst kannst du auch nicht die Schuld geben. Du hast dich selbst in Sicherheit gebracht und das ist wichtig.«
»Ja, ich habe mich in Sicherheit gebracht und meinen Bruder dadurch in die Sch... geritten. Was für eine Heldin.«
»Geh vorsichtig um mit all der Schuld«, sagte Lowe. »Sie zermalmt dich. Deine Eltern sind diejenigen, die hätten eingreifen müssen, das weißt du genau. Jemand, der in Kauf nimmt, dass seine Kinder zu Spielzeugen werden, nur um voranzukommen...«
Claire ergriff Eves Hand. Eve schaute überrascht auf. Sie weinte nicht, was einigermaßen erstaunlich war, da Eve sehr viel weinte. Ihre Augen waren trocken, klar und hart. Zornig.
»Was glaubt ihr, warum ich abgehauen bin?«, fragte sie. »Sobald ich konnte. Zwischen meinen Eltern und dem, was Brandon aus Jason gemacht hat...«
Claire wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie saß nur da und hielt Eves Hand. Sie hatte so etwas noch nie durchgemacht. Sie war warm und behütet in einem Haus aufgewachsen, ihre Eltern liebten sie. An einem Ort, wo es so etwas wie Vampire nicht gab und wo Kindesmissbrauch nur in den Abendnachrichten vorkam, existierten mordende Brüder lediglich in Großstädten und nur bei Leuten, die sie nicht kannte.
All das war einfach... unfassbar. Und tat viel zu sehr weh.
»Alles wird gut«, sagte sie schließlich. Eve lächelte sie traurig an, aber ihre Augen waren noch immer zornig.
»Nein«, sagte sie. »Das glaube ich kaum, Claire. Aber danke.«
Sie holte tief Luft, ließ Claires Hand los und wandte sich wieder den beiden Cops zu. »Also gut. Ihr zwei könnt hier noch abhängen, bis ich mich angezogen habe.«
»Oh, klar«, sagte Hess und hob eine Augenbraue. Dadurch sah sein Gesicht schief aus, aber vielleicht lag das auch nur an seiner Nase. Claire war sich da nicht sicher. »Es ist ja nicht so, dass wir euch beschützen und dabei arbeiten oder so was.«
»Ihr seid ja nicht mal im Dienst«, sagte Eve.
»Erwischt!«, sagte Lowe und lächelte. »Wir sind in dieser Sache allein. Mach hin, Kleine. Ich möchte heute noch ein wenig schlafen, bevor ich wieder für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen muss.«
Eve trottete die Treppe hoch, eine Hand auf dem Geländer, und Claire atmete langsam und vorsichtig aus. Eve war im Moment so was wie eine Bombe, die noch nicht hochgegangen war. Claire hatte das Bedürfnis, gegen all das etwas zu tun, aber es gab nichts, was sie tun konnte...und wie sie Eve kannte,
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