Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
sie konnte sehen, dass er darüber nachdachte.
»Boss«, sagte der Mann, der sie festhielt. Er hatte eine tiefe Stimme, so rau, als hätte er Schotter in der Kehle. »Die Schlampe hat keinen Grund, ihr Wort zu halten.«
»Woher wollen Sie wissen, dass ich die Vamps mehr leiden kann als Sie?«, schoss sie zurück. »Hat Shane Ihnen von Brandon erzählt? Ich hab Sie im Common Grounds gesehen. Haben Sie ihn dort gesucht? Wenn nicht, sollten Sie das tun. Er ist ein Arschloch.«
Frank Collins hatte die Augen halb geschlossen, was sie irgendwie unangenehm an Shane erinnerte. »Willst du mir jetzt vorschreiben, welche Vamps ich zu töten habe?«
»Nein«, sie schluckte erneut. Ihr war klar, dass jeden Augenblick die Küchentür aufgehen und jemand hereingestolpert kommen könnte und sie dann alle per Express zur Hölle fahren würden. »Nur ein Vorschlag. Soweit ich das beurteilen kann, ist er nämlich so ungefähr der Schlimmste von allen. Aber ich weiß, dass Sie sowieso tun, was Sie wollen. Ich möchte nur, dass meine Freunde und ich da rausgehalten werden.«
Shanes Dad lächelte sie an. Lächelte . Und zum ersten Mal kam ihr das wie ein überwiegend aufrichtiger Gesichtsausdruck vor, nicht nur wie ein komisches Verziehen der Lippen. »Du bist taffer, als du aussiehst, Kleine. Gut so. Das musst du auch sein, wenn du hier herumhängst.« Er schaute an ihr vorbei zu dem Biker (sie nahm zumindest an, dass er es war; sie konnte spüren, wie das Leder krachte, wenn sie strampelte). »Lass sie runter, Mann. Die ist in Ordnung.«
Der Biker ließ sie frei. Sie machte einen Satz nach vorne, wirbelte herum und lehnte sich mit dem Rücken an den Kühlschrank. Sie stöberte nach einem Messer in der Schublade neben ihr, fand ein fies aussehendes Hackbeil und hielt es vor sich. »Sie müssen jetzt gehen«, sagte sie. »Sofort. Und kommen Sie nicht hierher zurück, sonst erzähle ich ihnen alles, das schwöre ich.«
Er lächelte nicht mehr. Na ja, zumindest nicht mehr so sehr. Der Biker hinter ihr grinste jedoch.
»Da kennst du meinen Sohn schlecht, Kleine, oder?«, fragte er. »Ich brauche nicht hierher zurückzukommen. Er wird zu mir kommen. Letztendlich.«
Er machte seinem ein Meter achtzig großen Bodyguard ein Los!-Gehen-wir -Zeichen und gemeinsam verließen sie die Küche durch die Seitentür. Claire zog sie hastig zu, verriegelte beide Schlösser und schob die kürzlich montierten Riegel vor.
Wobei sie sich fragte, warum sie zuvor nicht verriegelt gewesen waren...Oh. Natürlich. Die Cops waren ja durch die Küche hereingekommen.
Sie atmete ein paarmal tief durch, spülte den Geschmack dieser verschwitzten Hand von ihren Lippen und nahm die Kaffeetassen.
Ihre Hände zitterten so übel, dass sie auf keinen Fall etwas Flüssiges transportieren konnte. Sie stellte sie wieder ab, ging zur Tür und rief hinaus: »Ich koch mal eben frischen!«
Sie schüttete den Rest in der Kanne aus, füllte die Maschine neu ein, und als sie fertig war, hatte sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle.
***
Einigermaßen.
Claire hatte eine Pause zwischen den Unterrichtsstunden – man konnte nicht von einer Mittagspause sprechen, da sie auf zehn Uhr morgens fiel – und sie ging hinüber zum Uni-Center, um einen Kaffee zu trinken. Das UC war riesig und ein wenig heruntergekommen. Der Teppich war uralt und die Möbel hatten schon mindestens die Achtziger-, wenn nicht gar die Siebzigerjahre gesehen. Es bestand aus einem Atrium, in dem Sofas, Stühle und sogar, in eine Ecke gezwängt, ein großes Klavier standen. Schlecht gemalte Transparente, die studentische Aktivitäten ankündigten, flatterten über ihrem Kopf in der Brise der schwachen Klimaanlage.
Die meisten Couchgarnituren waren schon von Studenten besetzt, die sich unterhielten oder für sich allein lernten. Claire behielt einen freien Studiertisch in der Ecke im Auge, aber sie würde sich beeilen müssen; eine ganze Menge Leute hielt nach einem Plätzchen Ausschau, an dem sie sich niederlassen konnten.
Sie eilte zur Kaffeetheke hinten im Atrium und lächelte und winkte, als sie Eve hinter der Espressomaschine entdeckte. Eve winkte zurück, füllte zwei Tassen gleichzeitig mit Espresso und schüttete sie in aufgeschäumte Milch. Es waren etwa fünf Leute vor ihr, deshalb hatte Claire reichlich Zeit, darüber nachzudenken, was Shanes Vater gesagt hatte. Und was er nicht gesagt hatte.
Was wollte er heute eigentlich? In Wirklichkeit? Vielleicht war er gekommen, um Shane zu
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