Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
du seist ziemlich bemerkenswert.«
Claire wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, deshalb sagte sie gar nichts. Sie wünschte, sie hätte einen Stuhl. Sie wünschte, sie könnte irgendetwas Nettes sagen, zurück zum Unterricht gehen und Amelie niemals wiedersehen, denn so höflich und gütig die alte Vampirin an der Oberfläche war, hatte sie doch etwas Eiskaltes an sich. Etwas beunruhigend Nichtmenschliches.
»Ich möchte, dass du bei einem Freund von mir Privatunterricht nimmst«, sagte Amelie. »Natürlich bekommst du dafür auch einen Schein.« Sie schaute sich um und lächelte leicht. »Das ist seine Bibliothek. Meine ist viel ordentlicher.«
Claires Kehle schnürte sich unangenehm zusammen. »Ein... ähm... Vampirfreund?«
»Tut das etwas zur Sache?« Amelie faltete ihre weißen Hände auf dem Tisch. Das Kerzenlicht flackerte in ihren Augen.
»N-nein, Ma’am.« Ja . Gott, sie wollte sich gar nicht ausmalen, was Shane zu diesem Rendezvous mit einem Unbekannten sagen würde.
»Ich glaube, du wirst ihn überaus interessant finden, Claire. Er gehört in der Tat zu den brillantesten Köpfen, denen ich in meinem ganzen langen Leben begegnet bin, und er selbst hat im Lauf seines Lebens so viel gelernt, dass er niemals alles weitergeben kann. Dennoch kann man viel von ihm lernen. Ich war auf der Suche nach dem richtigen Schüler für ihn, nach einem, der die Entdeckungen, die er gemacht hat, rasch begreift und ihm bei seinen Forschungen helfen kann.«
»Oh«, flüsterte Claire schwach. Ein alter Vampir also...Mit den älteren hatte sie nicht so gute Erfahrungen gemacht. Wie Amelie waren sie kühl und seltsam und die meisten von ihnen waren auch grausam. Wie Oliver. Oh Gott, sie sprach nicht von Oliver, oder? »Wer...?«
Amelie senkte den Blick. Aber nur einen Moment lang, dann schaute sie Claire in die Augen und lächelte. »Ihr habt euch noch nicht kennengelernt«, sagte sie. »Zumindest noch nicht offiziell. Sein Name ist Myrnin. Er ist einer meiner ältesten Freunde und Verbündeten. Du musst verstehen, Claire, dass du, seit du in Morganville bist, durch deine Taten, nicht zuletzt durch dein Abkommen mit mir, mein Vertrauen gewonnen hast. Ich würde diese Ehre niemandem gewähren, den ich nicht für würdig erachte.«
Schmeichelei. Claire erkannte das und wusste, dass die leichte Wärme in Amelies Stimme wahrscheinlich Berechnung war, aber trotzdem funktionierte es. Sie hatte dadurch weniger Angst. »Myrnin«, wiederholte sie.
»Es ist ein alter Name«, räumte Amelie als Reaktion auf Claires Tonfall ein. »Alt und inzwischen vergessen. Aber einst war er ein großer Gelehrter, er war bekannt und hoch geschätzt. Seine Arbeit sollte nicht in Vergessenheit geraten.«
Irgendetwas daran war seltsam, aber Claire war zu nervös, um herauszufinden, was Amelie ihr mitzuteilen versuchte. Oder nicht mitzuteilen. Sie bemühte sich, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken, aber er hatte etwa die Größe eines vergifteten Apfels und schien immer größer zu werden. Sie konnte nur nicken.
Amelie lächelte. Es sah irgendwie künstlich aus, wie ein Gesichtsausdruck, den sie vor dem Spiegel geübt und nicht schon als Kind gelernt hatte. Lächeln war etwas, das ihr Gesicht nicht einfach von Natur aus konnte, entschied Claire. Und tatsächlich war das Lächeln innerhalb von Sekunden spurlos verschwunden.
»Wenn du bereit bist...?«
»Jetzt?« Claire warf unwillkürlich einen hilflosen Blick auf die leere Wand hinter ihr. Dort war keine Tür, und das bedeutete, dass es keine Fluchtmöglichkeit gab. Deshalb hatte sie eigentlich keine andere Wahl.
Amelie wartete ihre Antwort sowieso nicht ab. Die Eiskönigin stand auf und ging – voll und ganz die untote Grace Kelly – zu einer anderen kleinen und niedrigen Tür, in deren Schloss der Schlüssel steckte. Sie drehte den Schlüssel, zog ihn heraus und schaute einen Augenblick lang auf ihn hinab, bevor sie ihn Claire hinstreckte. »Behalte ihn«, sagte sie. »Lass deine Büchertasche bitte hier. Ich möchte nicht, dass du sie vergisst. Du wirst durch dieselbe Tür auch wieder hinausgehen.«
Claires Finger schlossen sich um den Schlüssel und registrierten das raue, kalte, schwere Metall. Sie stopfte ihn in die Tasche ihrer Jeans, als Amelie die Tür öffnete und ihren Rucksack gegen ein Bücherregal lehnte.
»Myrnin?« Amelies Stimme war leise und sanft. »Myrnin, ich habe das Mädchen mitgebracht, von dem ich dir erzählt habe. Ihr Name ist Claire.«
Claire
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