Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
weiterzusprechen, da sie in Riesenschritten über einen braunen Teppich weitergingen. Claires erster Eindruck vom Gebäude des Ältestenrates war damals gewesen, dass es sich um eine Leichenhalle handelte; so fühlte es sich für sie noch immer an, weil es so ruhig und gedämpft und elegant war.
Letztes Mal standen überall Rosen, als der Vampir dort aufgebahrt war, von dem sie glaubten, dass Shane ihn umgebracht hätte. Dieses Mal sah sie nirgends Blumen.
Gretchen führte sie einen Flur entlang durch eine dicke Doppeltür in die runde Eingangshalle. Dort standen vier bewaffnete Vampirwachen und Gretchen und Hans mussten anhalten, ihren Ausweis zeigen und ihre Waffen abgeben. Claire wurde durchsucht – flinke, erfahrene Berührungen von kalten Händen, die sie schaudern ließen.
Und dann öffneten sich die Türen und sie wurde in einen großen runden Saal mit düsteren, teueren Gemälden gezogen, an dessen hoher Decke Kronleuchter hingen, die wie gefrorene Wasserfälle aussahen. Sie hatte sich den Duft von Rosen nicht eingebildet. In der Mitte des Saals stand ein massiver runder Konferenztisch, der von Stühlen umringt war und auf dem eine Vase mit tiefroten Blumen stand.
Niemand saß am Tisch. Stattdessen stand eine Gruppe von mindestens zehn Leuten auf der anderen Seite des Raumes, die alle auf etwas herunterschauten.
Einige von ihnen wandten sich um und Claires Blick fiel unwillkürlich auf Oliver. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er ihr Leben bedroht und versucht hatte, Shane auf diese Weise aus seinem Versteck zu locken. Als er jetzt aufstand, kam ihr wieder die Erinnerung hoch, wie eisig und hart sich seine Hände um ihre Kehle gelegt hatten. Wie sehr sie sich gefürchtet hatte.
Oliver stieß ein Knurren aus, das tief aus seiner Kehle hervordrang, aber laut genug war, gehört zu werden. Seine Augen waren die eines Wolfes, ganz und gar nicht menschlich.
»Wie ich sehe, bringt ihr uns eine Kriminelle zum Bestrafen«, sagte er und kam auf sie zu.
Gretchen schaute Hans an und schob Claire dann hinter sich. »Halt«, sagte sie. Oliver gehorchte, vor allem weil er so überrascht war. »Das Mädchen hat darum gebeten, ihre Schutzpatronin zu sehen. Wir haben keine Beweise dafür, dass sie schuldig ist.«
»Wenn sie in diesem Haus lebt, dann ist sie schuldig«, sagte Oliver. »Du überraschst mich, Gretchen. Seit wann hast du dich auf die Seite der Atmenden geschlagen?«
Sie lachte, aber ihre Stimme klang dabei hoch und falsch. Sie sagte etwas in einer Sprache, die Claire nicht kannte; Oliver fauchte etwas zurück und Hans legte eine große Hand auf Claires Schulter.
»Wir haben die Verantwortung für sie«, sagte er. »Und sie ist Amelies Eigentum. »Es hat nichts mit dir zu tun, Oliver. Geh aus dem Weg.«
Oliver lächelte, hob die Hände und trat zurück. Hans schob Claire an ihm vorbei und sie fühlte Olivers messerscharfen Blick in ihrem Nacken.
Der Kreis von Leuten teilte sich, als Hans sich näherte. Er bestand sicherlich überwiegend aus Vampiren. Das war ihnen nicht auf die Stirn geschrieben oder so, aber die meisten von ihnen hatten die gleiche kühle bleiche Haut und die gleiche blitzartige Schnelligkeit in ihren Bewegungen. Tatsächlich waren die beiden einzigen Menschen – Atmende? –, die sie sah, Bürgermeister Morrell, der am Rande der Gruppe stand und jämmerlich unbehaglich aussah, und sein Sohn Richard. Richards Uniform war an einigen Stellen feucht und es dauerte einige Sekunden, bis Claire bewusst wurde, dass sie blutgetränkt war.
Sams Blut.
Sam lag auf dem Teppich, sein Kopf war in Amelies Schoß gebettet. Die Vampirälteste kniete am Boden und ihre Hände strichen zärtlich über Sams kupferfarbenes Haar. Er sah bleich und tot aus und der Pfahl stak noch immer in seiner Brust.
Amelie hatte die Augen geschlossen, aber sie schlug sie auf, als Hans Claire auf sie zuschob. Für einen langen Augenblick schien die Vampirin Claire überhaupt nicht zu erkennen, dann spiegelte sich Erschöpfung in ihrem Gesicht wider. Sie schaute auf Sam hinunter, ihre Finger strichen über seine Wange.
»Claire, du musst mir assistieren«, sagte sie, so als würden sie gerade ein Gespräch fortsetzen, an dem Claire noch nicht mal teilgenommen hatte. »Macht ihr bitte Platz.«
Hans ließ sie los und Claire fühlte das unzähmbare Verlangen zu rennen, aus diesem Raum hinauszurennen, Shane zu holen und einfach wegzugehen, irgendwohin – bloß nicht mehr hier zu sein. In Amelies Augen lag etwas,
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