Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
sich weh, als sie über einen Haufen alten Krempel fiel – alte Lederfetzen, einige Backsteine, ein paar vertrocknete Pflanzen, die Myrnin wohl für botanische Arbeiten aufbewahrt hatte. Mann, das tat weh. Sie rollte sich über die Seite ab, rang nach Luft und kam wieder auf die Füße. Sie hörte ein langsames, bedächtiges Quietschen von Metall und hielt eine fatale Sekunde lang inne, um über ihre Schulter zu blicken.
Die Käfigtür stand offen und Myrnin war herausgekommen. Er trug noch immer seine kleine Benjamin-Franklin-Brille, aber aus seinen Augen sprach etwas, das direkt aus der Hölle gekrochen zu sein schien.
»Oh Shit«, flüsterte sie und schaute verzweifelt zur Treppe.
Zu weit. Viel zu weit, zu viele Hindernisse zwischen ihr und der Sicherheit. Außerdem konnte er sich bewegen wie eine Schlange. Er würde zuerst dort ankommen.
Die Tür mit dem Schloss lag näher als die Treppe und den Schlüssel hatte sie noch immer fest in der Hand. Sie würde ihre Büchertasche zurücklassen müssen; keine Chance, sie noch zu holen.
Sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Der Schnitt, den Jason ihr am Handgelenk beigebracht hatte, war noch immer frisch; Myrnin konnte ihn riechen – eine laute und deutliche Einladung zum Abendessen.
Sie kickte Bücherstapel aus dem Weg, sprang über einen Haufen Kram und rannte, den Schlüssel in der ausgestreckten Hand, zu der verschlossenen Tür. Ihre Hände zitterten und sie brauchte zwei Versuche, bis sie den überdimensionalen Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt hatte; als sie anfing, ihn umzudrehen, erlebte sie einen Augenblick äußerster Panik, weil er sich nicht drehen ließ...
Aber dann ging es doch, ein glattes metallisches Gleiten von Hebeln und Bolzen und die Tür öffnete sich.
Auf der anderen Seite befand sich ihr eigenes Wohnzimmer, und Shane saß mit dem Rücken zu ihr auf der Couch und spielte ein Videospiel.
Claire hielt inne und war vollkommen aus dem Gleichgewicht. Das konnte nicht wahr sein, oder? Es konnte eigentlich gar nicht sein, dass sie ihn unmittelbar hier sitzen sah, aber sie konnte das computerisierte Knurren hören, die Schläge und die nassen, blutigen Geräusche des Ballerspiels, das er gerade spielte. Sie konnte das Haus riechen. Chili. Er hatte Chili gekocht. Einige seiner Schachteln hatte er noch immer nicht mit nach oben genommen. Sie stapelten sich in der Ecke.
»Shane«, flüsterte sie und streckte die Hand durch den Durchgang. Sie konnte dort etwas fühlen, etwas wie einen leichten Druck, und die Haare auf ihrem Arm zitterten und prickelten.
Shane stellte das Videospiel auf PAUSE und stand langsam auf. »Claire?« Er blickte in die falsche Richtung, er schaute hoch, in Richtung Treppe.
Aber er hatte sie gehört. Und das bedeutete, dass sie einfach hindurchgehen konnte und in Sicherheit wäre.
Dazu sollte es jedoch nie kommen.
Myrnins Hand landete hart auf ihrer Schulter, er zog sie zurück, und als Shane sich ihnen zuwandte, knallte Myrnin die Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss.
Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Er war wahnsinnig, das war ihm deutlich anzusehen. Nichts an ihm deutete daraufhin, dass er sie erkannte. Amelies und Sams Warnungen schrillten ihr durch den Kopf. Sie hatte Myrnin unterschätzt und genau das hatte auch die anderen seiner Möchtegern-Lehrlinge das Leben gekostet.
Myrnin zitterte und seine zerstörten Hände waren zu Fäusten geballt. Sein Blut tropfte auf die aufgeschlagene Ausgabe eines alten Chemiebuchs, das neben seinen Füßen lag.
»Wer bist du?«, flüsterte er. Der Akzent war wieder da, der ihr beim ersten Mal schon aufgefallen war, als sie ihn getroffen hatte; dieses Mal war er stärker. Viel stärker. »Kind, was führt dich hierher? Verstehst du nicht, in welcher Gefahr du schwebst? Wer ist dein Schutzherr? Wurdest du mir als Geschenk geschickt?«
Sie schloss einen Moment lang die Augen, dann öffnete sie sie wieder, schaute ihn direkt an und sagte: »Sie sind Myrnin und ich bin Claire; ich bin Ihre Freundin. Ich bin eine Freundin, okay? Sie sollten mich Ihnen helfen lassen. Sie verletzen sich selbst.«
Sie deutete auf seine verletzten Finger. Myrnin schaute hinunter und schien überrascht zu sein, so als hätte er das gar nicht gespürt. Hatte er vielleicht auch nicht.
Er machte zwei Schritte zurück, stieß gegen einen Labortisch und warf einen Ständer mit leeren Teströhrchen aus Glas um. Sie fielen heraus und zersprangen auf dem schmutzigen Steinfußboden.
Myrnin
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