Haus des Blutes
herum, zog gegenüber von dem Mann, den Chad für »Lazarus« hielt, einen Stuhl zu sich heran und bedeutete Chad mit einem Winken, sich auf den einzigen verbliebenen Stuhl zu setzen.
Chad nahm Platz.
Cindy begann zu sprechen. »Es ist bald an der Zeit. Alles ist vorbereitet.«
Der Mann zog an einer selbst gedrehten Zigarette, lächelte leise und blies eine Wolke süßlich riechenden Rauchs aus. »Ausgezeichnet. Dein Mut ist wirklich inspirierend, wenn ich das an dieser Stelle einmal betonen darf.«
Cindy errötete.
Chad konnte es nicht glauben. Cindy errötete?
»Ich habe nur getan, was getan werden musste.«
»Unsinn.« Der Mann zog erneut an seiner Kippe. »Deine Tapferkeit ist wirklich beschämend.«
Das ungewaschene Haar des Mannes hing bis zu seinen Schultern hinab. Es war braun, aber von zahlreichen grauen Stellen durchzogen. Seine Augen waren blutunterlaufen, aber sie strahlten dennoch eine kühne Intelligenz aus. Sein Körper zeigte die üblichen Anzeichen eines jahrzehntelangen harten Lebens: Er war blass, auf seiner roten Nase zeichneten sich zahlreiche geplatzte Äderchen ab und er hatte einen ziemlichen Ranzen. Neben seinem Aschenbecher standen ein Whiskeyglas und eine beinahe leere Flasche Gin. Ihn umgab eine Aura der Traurigkeit. Etwas Entsetzliches musste in seiner Vergangenheit geschehen sein – bevor er im Unten gelandet war.
»Und es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen.«
Chad betrachtete das Gesicht des Mannes so eindringlich, dass ihm zunächst gar nicht bewusst wurde, dass die letzte Bemerkung an ihn gerichtet gewesen war – aber Lazarus sah ihn direkt an.
Er blinzelte. »Wie bitte?«
Etwas an der Erscheinung des Mannes gab Chad Rätsel auf und machte ihn unruhig. Er erinnerte ihn an jemanden. Tiefe Falten gruben sich in Chads Stirn, während er jede einzelne Facette des Gesichts seines Gegenübers studierte. Den Mund. Die Nase. Die Augen. Die Wangenknochen. Er hatte noch nie zuvor das Gesicht eines anderen Mannes so ausführlich betrachtet. Es war ihm unglaublich vertraut, wie das Gesicht eines alten Freundes, den er seit Jahren nicht gesehen hatte. Und dann war da noch seine Stimme: sehr charakteristisch, ein kräftiger, whiskeygetränkter Bariton. Chad blieb der Mund offen stehen, als sich sein Misstrauen blitzschnell in absolute Gewissheit verwandelte.
»Mein Gott.«
Nun legte der Mann, der nicht wirklich Lazarus hieß, die Stirn in Falten.
Ein hilfloses, humorloses Lachen platzte aus Chad heraus. »Das kann nicht wahr sein. Du müsstest tot sein.«
Er kannte den Namen des Mannes. Seinen richtigen Namen.
Und der Mann wusste, dass er es wusste. Chad konnte es in seinen Augen lesen. In diesen fesselnden Augen, die er auf VH1 in so vielen Ausschnitten aus Sondersendungen und Dokumentationen gesehen hatte. Durchdringend, verspielt und schwermütig.
Augen, die von einem Stirnrunzeln umrahmt wurden.
Der Mann seufzte. »Der Mensch, der ich einst war, ist tot, Chad. Im übertragenen Sinne.« Dem widerwilligen Eingeständnis folgte ein weiterer nachdenklicher Zug an seiner Zigarette. »Der Körper lebt weiter, ja, aber der Mensch, seine Persönlichkeit, das Unergründliche …« Dasselbe traurige, leise Lächeln huschte erneut über sein Gesicht. »Das … Wesen … ist rechtmäßig auf den Müllhaufen der Geschichte übergegangen.«
Chad war verblüfft. »Das denkst vielleicht du. Aber du hast ja keine Ahnung, Mann. Keine Ahnung. Du bist noch längst nicht in Vergessenheit geraten.«
Die Augen des Mannes verengten sich. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich damit fühlen soll. Was ich jedoch weiß, ist, dass das, was ich heute bin, viel bedeutender ist als das, was ich früher einmal war …« Er deutete mit seinem Zeigefinger auf irgendeinen nebulösen Ort über ihnen. »… da oben.«
»Warum sagst du das?«
Der alte Sänger lächelte. »Hier kann ich den Menschen wirklich dabei helfen, ihre Freiheit zu finden. Das ist die wahre Bestimmung in meinem Leben. Das ist es, wofür ich geboren wurde, Chad.«
»Warte mal.«
Chad riss erschrocken die Augen auf. »Woher kennst du meinen Namen?« Er warf Cindy einen Blick zu, die ihn jedoch nicht ansah. Trotzdem war er sich sicher, dass sie viel mehr über diesen Mann wusste, als sie ihn hatte glauben lassen. »Mein Gott. Es ist mir gerade erst aufgefallen. Wir wurden einander nie vorgestellt. Du kannst meinen verfluchten Namen gar nicht kennen.«
Die Haltung des Mannes veränderte sich. Chad sah, dass seine Augen vor
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